Aïda Yancy (Belgien): „Queere Kollektive sind oft nicht divers genug“
Aïda Yancys Thema ist Intersektionalität. Als Schwarze Lesbe spricht sie auf Konferenzen und Panels oft über Rassismus, Sexismus, Lesbo- und Queerphobie. Daneben gibt sie antirassistische Workshops. „Ich raune ins Ohr der Weißen“, fasst sie ihre Arbeit zusammen.
Die Aktivistin aus Brüssel macht auch lesbische Advocacy-Arbeit bei Institutionen wie dem Europarat und der NATO. „In letzter Zeit habe ich das Gefühl, ein Imperium zusammenbrechen zu sehen. Die Dinge ändern sich gerade sehr schnell weltweit, aber nicht in die gute Richtung“, sagt sie. Das Positive aber sei: „Seit die Rechtsextremen in Brüssel sitzen, sprießen Lesbenkollektive wie Pilze aus dem Boden.“ (Anm. d. Red.: Belgien hat seit diesem Jahr zum ersten Mal in der Geschichte des Landes einen flämischen nationalistischen Ministerpräsidenten,)
Dazu gehört der erste Dyke* March dieses Jahr in Brüssel. „Es gibt eine Aufbruchstimmung in der belgischen lesbischen Szene, die jahrelang ruhig war“, freut sich Aïda. Aber sie findet auch kritische Worte. Sie bedauert, dass queere und Lesbenkollektive oft nicht divers genug sind: „Sie ziehen Leute an, die ähnlich sind. Lesben, die einer anderen Minderheit angehören, werden oft eingeladen, um zu zeigen, dass man super ist, oder einfach weil es auf den Bildern gut aussieht. Das Problem ist, dass wenige Kollektive in der Tat bereit sind, Platz für diese Leuten zu schaffen. Nicht selten hört man, dass man ,ein anderes Mal über Rassismus sprechen wird‘.“
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Dorottya Rédai (Ungarn): „Wir werden nicht zurückweichen“
Dorottya Rédai ist ein bekanntes Gesicht in Ungarn. Sie ist die Leiterin von Labrisz, dem größten lesbischen Verein des Landes, den es seit 1999 gibt. Der Verein veranstaltet Diskussionsabende, die „Labrisz evenings“, lesbische Pilgerreisen, Filmabende und Festivals. Er verfügt außerdem über ein Archiv zur Geschichte des lesbischen Aktivismus in Ungarn.
„Wir produzieren auch Filme und veröffentlichen Bücher“, erzählt Dorottya. 2020 hat sie das inklusive Kinderbuch „A Fairy Tale for Everyone“ herausgebracht und dutzende Interviews dazu gegeben. Das Buch wurde international gefeiert und in elf Sprachen übersetzt, auch ins Deutsche. In Ungarn wurde es hingegen in gewissen Kreisen zu einem Skandal gemacht. „Als das Buch veröffentlicht wurde, veranstaltete eine rechtsextreme Politikerin, die es nicht gelesen hatte, eine gewalttätige Performance für die Medien: Sie schredderte das Buch, weil es angeblich ,nicht Teil der ungarischen Kultur‘ sei“, erzählt Dorottya. „Damit hat sie aber viel Werbung für uns gemacht. Wir haben 35.000 Exemplare auf Ungarisch verkauft und es wurde zum Bestseller auf dem Kinderbuchmarkt.“
Der rechte Ministerpräsident Viktor Orbán hatte dieses Jahr den Budapest Pride verboten (wir berichteten). Wie viele andere Queers wollten Dorottya und die Mitglieder von Labrisz trotzdem demonstrieren. „Alle LGBTIQ*-Organisationen des Landes sind sich einig: Wir werden nicht zurückweichen“, erklärte Dorottya gegenüber L-MAG im Vorfeld des Pride. „Ein Widerstand entsteht gerade und diese Pride könnte die größte werden, die wir je hatten.“ Sie sollte Recht bekommen: mehr als 300.000 Menschen gingen zur Budapest Pride am 28. Juni auf die Straße.
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