Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 5-2025 (Sep./ Okt.)
Von Florian Bade
Vorbei am Firmentransporter, unter einem überdimensionalen Pinsel durch, führt die Kirchenmalerin Maren Kogge per Videocall am Handy in ihre Werkstatt. “Mein Handy ist mir heute vom Gerüst gefallen, jetzt hat es einen Sprung”, plaudert Maren und schwenkt die Kamera zurück in ihr Reich: Dort tummeln sich Jesusstatuen, Putten und anderes restaurierbedürftiges Kircheninventar, umrahmt von Regalen voller Werkzeuge und kunterbunter Pigmente und Erden.
Allein fürs Maserieren benutzt Maren Dutzende von Pinseln mit skurrilen Namen - wie der „Birkenmodler“, der „Schläger“ oder der „Dachshaarvertreiber“ –, um bei dieser Technik der Holzimitation die Holzmaserungen mit Farbe naturgetreu nachzuformen.
„Gänsehautmomente“ in jahrhundertealten Kirchen
Kirchenmaler:innen restaurieren Altäre, Decken, Wände und Statuen in jahrhundertealten Gotteshäusern, aber auch in Schlössern, Kapellen oder Burgen. „Das ist schon jedes Mal so ein Gänsehaut-Moment, wenn ich diese Kraftorte betrete”, schwärmt die 36-Jährige von ihrem Job.
Früh wurde klar, aus welchem Holz Maren geschnitzt ist. „Ich wollte schon immer etwas künstlerisch Handwerkliches machen", erinnert sich die gebürtige Hessin. Bereits mit 18 Jahren bekam sie mit einem Künstlerinnenkollektiv aus ihrem Abi-Jahrgang ihren ersten Großauftrag: die Neugestaltung der Fußgängerunterführung am Offenbacher Bahnhof. „Offenbach hat einen sehr hohen Anteil an Menschen mit Migrationsbiografie. Wir haben die Leute interviewt, die dort täglich durchgehen – über ihre Ängste, Wünsche, Ideen.“
Daraus entstand der „Gedankengang“: In Schwarz-Weiß sprayte das Kollektiv lebensgroße Porträts der Befragten an die Wände. Im Gewölbe treffen sich ihre bunten Gedankenzitate. Noch heute, 15 Jahre später, wurde das Werk nicht übersprüht – ein Zeichen des Respekts. „Damals habe ich verstanden, was öffentliche Kunst für mich bedeutet: den Dialog suchen und Barrieren abbauen.“
„Ich musste doppelt so hart arbeiten wie die Männer“
Marens Weg zur Kirchenmalerei war und ist allerdings ein steiniger. Sie bewarb sich erst als Holzbildhauerin, Porzellanmalerin und an Theatern als Praktikantin. Dann dachte sie: „Bühnenmalerin – das ist es!“ Doch auf eine Ausbildungsstelle kamen 150 bis 300 Bewerber:innen. „Ich habe in jedem Bundesland an einem Theater gearbeitet, stand dreimal im Finale – und doch hat es nie geklappt", erzählt sie im Gespräch mit L-MAG. Eine Bekannte brachte sie schließlich auf die Kirchenmalerei. Maren wurde klar: „Das ist die Kunst im öffentlichen Raum, die ich suche!” Und so landete sie vor dreizehn Jahren im Chiemgau, um Kirchenmalerin zu werden.
Nicht die Kniffe der Handwerkskunst sollten Maren das Leben hier schwer machen – sie gewann Lehr-, Gesell:innen- und Staatspreise für ihre Arbeiten - , sondern die christlich-konservativen Kräfte Bayerns. Bereits während der Ausbildung zur Meisterin musste sie sich als Frau besonders unter Beweis stellen: „Ich musste doppelt so hart arbeiten, um von meinen rein männlichen Kollegen wertgeschätzt zu werden." Als lesbisch outen wollte sie sich damals nicht. Sexismus und Homophobie kamen, wie so oft, im Doppelpack.
In der Geschichte gibt es durchaus weibliche Vorbilder
Dabei gibt es durchaus historische Vorbilder- auch in Bayern. Eine der frühesten deutschen Kirchenmalerinnen war Linda Kögel (1861-1940), aus dem Umfeld der Münchner Malweiber, einer frühen queeren Studentinnengruppe um Käthe Schmidt (der späteren Kollwitz). Zu Kögels Hauptwerk zählt die Apsis der Münchner Erlöserkirche, die sie 1903/04schuf und die als kunsthistorisch bedeutsam gilt.
2017 machte Maren sich selbstständig. „Ich merkte aber schnell: Ich werde erst mal keine Kirche von innen sehen, weil ich eine Frau bin und weil mein Vater und Großvater keine Kirchenmaler waren.“ Zwei Jahre sollte es dauern, bis sie ihren ersten Kirchenauftrag bekam. Der Kommentar des Kirchenpflegers, als Maren ankam: „Frau Kogge, behindert Sie ihr Busen eigentlich beim Arbeiten?“ Auf dem Rückweg kamen Maren die Tränen. „Ich habe im Auto nur geweint. Ich musste so lange auf diesen Auftrag warten, hab so viele Titel und mache einen so guten Job – und dann so eine Frage?“
Trotzdem gab Maren nicht klein bei. Sie bildete Arbeitskollektive mit männlichen Kollegen, kam über Umwege an Aufträge. 2023 wagte sie den nächsten Schritt: die Bewerbung zur „Miss Handwerk“. „Das klingt nach einem Schönheitswettbewerb, aber es geht darum, Botschafterin des Handwerks zu sein“, erklärt Maren.