Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 1-2025 (Jan./ Feb.)
Von Amanda Beser
Die erste lesbische Päpstin auf einem riesigen Roboterarm: In dieser Rolle war Saioa Alvarez im Herbst 2024 in der Oper „Sancta“ (wir berichteten) zu sehen. Die 33-Jährige ist Schauspielerin, Performerin und noch einiges mehr. Unter anderem setzt sie sich für lesbische Sichtbarkeit und für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein. Dafür moderierte sie von Oktober bis Dezember 2024 Pop & Pasta auf der Streamingplattform Twitch. Das Format mit dem Ansatz, Menschen mit Behinderung nicht auf ihre (vermeintliche) Beeinträchtigung zu reduzieren, bot inspirierende Gespräche, etwa mit den queeren Rapperinnen Sookee und Ebow oder der Schauspielerin Kübra Sekin, kleine Spiele — und spontane Pastasoßen-Kreationen. Konzipiert wurde Pop & Pasta von Anna Singatulina, Projektleiterin bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG Selbsthilfe). L-MAG sprach mit Saioa Alvarez über die Sendung und ihre Erfahrungen beim Dreh.
L-MAG: Saioa, in eurer Sendung habt ihr jedes Mal ein Pasta-Rezept ausprobiert. Warum?
Saioa: Ja, in jeder Folge, aber nie nach Rezept: Die Gastperson bringt eine Zutat mit und ich als Moderatorin bringe eine Zutat mit. Dann schauen wir in der Sendung spontan, was wir daraus kochen, und der Chat berät uns. Eigentlich war es nur ein Vorwand, um coole Leute ins Studio einzuladen und kennen zu lernen. Als Team haben wir uns überlegt, was ein gutes Setting wäre, um ein vertrautes, schönes Gespräch zu führen, und Essen ist dann bei uns hängen geblieben. Alle Menschen haben Gefühle zu Essen und wie man Essen zubereitet. Unser Studio hatte ein bisschen Camping-Ästhetik, es hatte was von Sich-an-einem-Ort-Einrichten. Das ist für Leute mit Behinderung ein Klassiker: sich an einem Ort einzurichten, der eigentlich nicht für dich gemacht ist. Und ein Studio ist auch nicht unbedingt fürs Pasta-Kochen gemacht. Aber wir dachten, wir können doch einfach eine Glamping-Küche da reinbauen. Das Studio war auch mega auf mich als Moderatorin angepasst. Das gesamte Setdesign war extrem flexibel. Die Tische waren höhenverstellbar, es gab unterschiedliche Sitzmöbel, das Küchenregal war niedrig mit einem gut erreichbaren Kanister mit Wasser ... Auch Lichtdesign und ein Edelstahlmond im Hintergrund lassen normative Größenverhältnisse verschwimmen, nichts ist zu hoch, nichts und niemand sah „falsch“ oder unpassend aus, alles war zweckmäßig und hübsch. Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass der Ort, an dem ich arbeite, so gebaut ist, dass er gut aussieht für mich.
Pop & Pasta war also maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden?
Ja, schon. Wir haben vorher bei jedem Gast Bedarfe abgefragt und auf welcher Höhe die Person jeweils gut schnibbeln kann.
Was war das Neue am Format und inwiefern habt ihr überholte TV-Konventionen aufgebrochen?
Ich würde sagen, dass es vorher keine Show gab mit einem vergleichbaren Disability Mainstreaming (= die Perspektive und die Gleichstellung von behinderten Menschen auf allen Ebenen mit einzubeziehen, aber ohne den Fokus auf die Behinderung zu legen; Anm. d. Red.). Auch wenn es unser Ziel war, war es aber nicht unbedingt unser Hauptthema. Es lief eher beiläufig mit, beispielsweise dadurch, dass ich als Moderatorin eine sichtbare Behinderung habe. Die Projektleitung Anna Singatulina ist eine queere Frau mit Behinderung, auch die Redaktionsleitung Karolin Kolbe ist ein queerer Crip und alle Redaktionsmitglieder sind behindert. Die ganze inhaltliche Ausgestaltung ist von Menschen mit Behinderung erfolgt. Es ist eine Selbsterzählung. Wir haben die Gäste nach spannenden Berufen ausgesucht, gleichzeitig haben wir einen Fokus gelegt auf Leute mit Behinderung und auf queere FLINTA*-Personen. So konnten wir endlich mal in einer angemessenen Anzahl repräsentieren. Es wurde nicht immer so thematisiert, aber die Queers hatten durchaus auch Macht innerhalb der Sendung. Meine Kollektion an Lesben-Shirts steuerte auch einen wichtigen inhaltlichen Aspekt bei, denn ich habe meine eigene Agenda.
Warum habt ihr euch für Twitch als Plattform entschieden?
Erstens wollen wir auch junge Leute ansprechen und zweitens wegen des Chat-Aspekts. Wir wollten eine Live-Show, und Twitch ist wie interaktives Fernsehen, bei dem man den Chat miteinbeziehen kann. Unsere Chat-Community war auf jeden Fall Teil des Formats. Ich erinnere mich an einen Kommentar, als es im Interview darum ging, als Person mit Behinderung Hilfe zu bekommen. Da hat eine Person in den Chat geschrieben, dass „Hilfe annehmen immer so negativ konnotiert wird, aber wenn sich jemand Unterstützung von einem Steuerberater holt, dann hat man alles im Griff.“ Anhand der Kommentare hatte ich das Gefühl, dass wahrscheinlich viele Leute mit Behinderung zuschauen.
Was hast du selbst an den Drehs genossen?
Ich habe den Eindruck, dass es sehr angenehme, tiefe, aber auch witzige Gespräche waren. Ich habe mich auf jeden einzelnen Gast extrem gefreut.
Die 10 Folgen bleiben noch eine Weile auf dem Twitch-Kanal online. Sie stehen außerdem bei Youtube. Ob die Sendung fortgesetzt wird, ist noch nicht bekannt.