Echt? Dabei geht doch der Trend in Richtung queer oder nicht-binär.
Maxine: Ja, das Phänomen gab es hier natürlich. Dennoch haben wir gerade in den "Lesbian Herstory Archives" sehr viele junge Praktikantinnen, die sich nicht queer nennen. Einige bezeichnen sich als nicht-binär, aber viele auch nicht. Aus Sicht des Archivs, wo wir ja Material zum Thema Identität sammeln, kann ich nur sagen: Die Dinge ändern sich immer wieder. Und man muss auch beachten: Es geht oft nur um bestimmte Gruppen. In der afroamerikanischen Community gibt es zum Beispiel die "Aggressives (AG)" oder andere nennen sich "Boi" - darüber wird kaum gesprochen. Wenn eine bestimmte Gruppe definiert, wie sich andere Leute zu nennen haben, so ist das deshalb historisch noch lange nicht wahr. Es gibt Frauen, die sich "Gay Women" nennen - und die sind nicht alle 78 Jahre alt (lacht) - und andere, die sich als Lesben, Butch, Femme, genderqueer bezeichnen - ich könnte dir eine lange Liste verschiedener Identitäten nennen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es schon immer viele verschiedene Arten und Worte dafür gab, wie sich Lesben selber definierten, historisch und auch kulturell ist das wichtig. Diese Begriffe kommen und verschwinden wieder. Und zum Anfang des 20. Jahrhunderts sagten die Leute auch "queer".
Mittlerweile gibt es auch in Deutschland über zehn Dyke Marches, das Konzept scheint sich also weiter zu verbreiten.
Maxine: Das ist toll. Es gibt sie auf der ganzen Welt, in Südafrika, Mexiko und vor zwei Jahren auch in Japan. Es ist so interessant, dass die Dyke Marches nun überall entstehen. Ich glaube, Lesben kapieren überall, dass sie ausradiert werden.
Und ist das nicht eine tolle Bestätigung eurer Arbeit, gibt euch das Kraft?
Maxine: Auf jeden Fall! Die Frage ist nur, wie man es am Leben erhält. Wir sind eine echte Grassroots-Organisation, und alle Arbeit ist ehrenamtlich. Das Komitee sammelt alles Geld, mit Tombolas, und am Ende des Dyke March stehen wir in einer Reihe mit großen Taschen und fragen die Teilnehmenden nach Spenden. Wir machen für unsere Verhältnisse sogar viel Geld, sodass wir das in den letzten Jahren weitergespendet haben, wie an eine Immigrations-Unterstützungsgruppe in Texas. Wir sind absolut nicht geldgierig. Wir machen nur das Banner, einige Schilder, Tombola-Preise, T-Shirts für die Helferinnen und das ist es schon.
Ihr seid keine angemeldete Demo, wie macht ihr es mit dem Verkehr, das regelt nicht die Polizei?
Maxine: Den stoppen wir selber, das machen unsere Marshals (Ordnerinnen). Eigentlich müsste das die Polizei machen, aber wir haben denen gesagt, das tun wir lieber selber.
Was ist dein Rat an die "Baby Dyke Marches" in Deutschland. Welches Vermächtnis sollten wir erhalten?
Maxine: Vergesst nie, dass es ein Protestmarsch ist, das ist das eine. Und es ist nicht nur für eine limitierte Gruppe, ganz nach dem oft benutzten Motto: "Niemand ist frei, solange wir nicht alle frei sind." Auf der ganzen Welt gibt es Teile unserer Community, die sich anpasst, während es diesen massiven Rechtsruck gerade auch in Europa und natürlich ganz offensichtlich hier in den USA gibt. Irgendwer muss aufstehen und sagen, dass das inakzeptabel ist. Das andere ist, die Verpflichtung und Hingabe, den Dyke March immer weiter fortzuführen. Denn es ist sehr wichtig, dass es lesbische Sichtbarkeit gibt!
// Interview: Manuela Kay
Mehr Infos unter: www.nycdykemarch.com
Wer L-MAG ganz bequem in den Briefkasten bekommen will, kann für 27€ ein Jahresabo abschließen. So verpasst ihr keine Ausgabe!