Wer regiert Brasilien?
Der 2018 gewählte Jair Bolsonaro ist ein Ex-Militär und inszeniert sich bei öffentlichen Auftritten oft so, als würde er ein Maschinengewehr halten. Vor ein paar Jahren wurde er wegen sexistischer und rassistischer Äußerungen zu Geldstrafen verurteilt. Trotzdem bekam er im Oktober 2018 im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl 55 Prozent der Stimmen. Viele Menschen in dem südamerikanischen Land sehen in ihm einen „Retter“, denn er propagiert die „echte“
Familie. Er lebt mit seiner dritten Ehefrau zusammen, in deren evangelikale Gemeinde er eintrat. Während einer Veranstaltung im brasilianisch-jüdischen Club Hebraica in São Paulo verkündete er 2017, dass er bei seinem fünften Kind – eine Tochter – „geschwächelt“ hätte.
Der Zeitschrift Playboy erklärte Bolsonaro 2011 in einem Interview, dass er nicht in der Lage wäre, einen schwulen Sohn zu lieben. Lieber wäre ihm, einer seiner Söhne würde bei einem Unfall sterben, als dass er mit einem Schwulen gesehen werde. Und auch in einer Sendung des brasilianischen TV-Senders „Bandeirantes“, im selben Jahr, zeigte er sein homofeindliches Gesicht. Auf die Bevölkerungsfrage, wie es für ihn wäre, wenn einer seiner Söhne schwul wäre, antwortete er, sie hätten eine „gute Erziehung“ genossen, er sähe dieses „Risiko“ nicht. Und auch die Nachfrage nach einer Teilnahme an einem CSD, verneinte er deutlich, „denn ich fördere keine schlechten Sitten, ich glaube an Gott und
habe eine Familie.“ Daraufhin strengten mehrere Nichtregierungsorganisationen ein Verfahren wegen rassistisch und homophober Äußerungen an. Er bekam eine Strafe von 150.000 Real (brasilianische Währung, umgerechnet 35.000 Euro, Anm. d. Red.) aufgebrummt. Im Mai 2019 wurde die Verurteilung auch in zweiter Instanz bestätigt. Außerdem wurde er bereits wegen frauenfeindlicher Aussagen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zurück zur majestätischen Abgeordnetenkammer von Rio de Janeiro. „Vor acht Jahren war ich noch die einzige Abgeordnete, die sich selbst ‚Schwarze‘ nannte“, erinnert sich die kommunistische Abgeordnete Rejane. „Nun haben wir hier drei weitere Frauen, die sich Schwarze nennen. Alle drei arbeiteten mit Marielle zusammen.“ Nach ihrer Ermordung sind für sie viele Frauen in Brasilien mutiger geworden: „Wir haben mehr Energie als vorher, um zu kämpfen. Das verdanken wir Marielle.“
In den letzten Monaten gingen in Brasilien hunderttausende Menschen gegen eine geplante Rentenreform, gegen angestrebte Kürzungen im Bildungsbereich, gegen die zunehmende Gewalt an Frauen und für die Rechte von LGBT auf die Straße. Auf vielen dieser Demonstrationen erklingt immer
wieder die Parole „Marielle lebt! Jetzt und für immer.“
Amnesty International fordert mit einer Online-Aktion„Gerechtigkeit für Marielle Franco”. Schicke eine E-Mail an den Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro, Wilson Witzel, sowie an den Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Rio de Janeiro, Eduardo Gussem.
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