Die DDR stellte mit dem Recht auf Abtreibung ein Vorbild dar – bis heute
Im Juni 1971 titelte der Stern die legendäre Zeile „Wir haben abgetrieben“. Während die Feministinnen im Westen Jahrzehnte erbittert um das Recht auf Abtreibung kämpften,
beschloss die Volkskammer der DDR schon am 9. März 1972 ein Gesetz „über die Unterbrechung der Schwangerschaft“. In den 70er Jahren erklärten die alten Herren um Erich Honecker berufstätige Mütter zu den Hauptadressatinnen einer neuen Sozialpolitik. Im Osten war damit in Sachen Frauenrechte schon mehr erreicht als im heutigen erfolgsoptimierten neoliberalen Deutschland, auch wenn die Politik der Sozialistischen Einheitspartei (SED) in Sachen Grenzpolitik, Verfolgung politischer Gegner und Ideologie-bildung der Bevölkerung einiges verbockte.
Was den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik betraf, konnten Ehemänner ihren Frauen bis 1976 per
Gesetz den Job verbieten, denn diese hatten laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) den „Haushalt in eigener Verantwortung“ zu führen. Auf der anderen Seite der innerdeutschen Grenze betrug der weibliche Anteil der Beschäftigten dagegen schon 1970 sagenhafte 48,3 Prozent (laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend).
Der Mauerfall am 9. November 1989 bedeutete das Ende eines deutschen Staates, der die Freiheit vieler einschränkte. Aber für Frauen und Lesben bedeutete das auch einen gravierenden Rückschritt in Sachen Frauenrechte. In etlichen Bereichen wurden trotz runder Tische, Aufbruchstimmung und kämpferischen Aktivistinnen die Regeln der Bundesrepublik übernommen. Und so müssen wir 2019 noch immer über das Recht auf Abtreibung diskutieren.
Trotz erneuter Reform des Paragrafen 219a werden Ärztinnen weiterhin verurteilt, weil ihnen unterstellt wird, sie würden Abtreibungen „bewerben“, obwohl sie darüber aufklären. In diesem Herbst
gehen in Berlin wieder selbsternannte „Lebensschützer“ auf die Straße und fordern ein Verbot von Abtreibung (Seite 16).
Lesbische Kämpfe von damals wenig gewürdigt
Ich staune noch immer, dass ich in einem Staat geboren bin, den es nicht mehr gibt und dass ich mit einem Frauenbild aufgewachsen bin, für das ich heute kämpfen muss. Ich wundere mich, dass die starken Ost-Frauen von einst zum 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls oft kein Gehör finden. Ich ärgere mich, dass trotz der unerschrockenen Kämpfe von Lesben in der DDR auch im
neuen Staat kein lesbisches Gedenken im brandenburgischen Ravensbrück möglich ist und in der neuen Demokratie die einstige Verfolgung von lesbischen Frauen weiter
geleugnet wird. Es macht mich wütend, dass Lesben und Frauen aus der DDR nicht gewürdigt werden. Nicht umsonst haben sie ihr altes Pionierhalstuch in die Ecke geschmissen und sind selbstbewusst aufgestanden für eine
bessere Welt.
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