In lesbischen Paar-Konstellationen mit Kind sei das Problembewusstsein eher da und die Aufgabenverteilung tendenziell ausgeglichener: "Elternzeiten werden gleich mäßiger aufgeteilt, meist sind beide beruflich erfolgreich und die Akzeptanz für die Kombination von Karriere und Familie so wie der gegenseitige Respekt dafür ist ein anderer als in Hetero-Konstellationen", erklärt Dillenburger. Allerdings habe sie auch Frauenpaare in ihrem Kundenstamm, bei denen eine der beiden deutlich mehr verdiene und die andere sich mit der "klassischen" Frauenrolle gut identifiziere und sich sozusagen aushalten lasse.
Das mag für jüngere Frauenpaare, die die Hälfte ihres Berufslebens noch vor sich haben und oft gemeinsam ihre Finanzen ordnen, um im Alter gut versorgt zu sein, also kein Problem darzustellen. Zumal, wenn sie in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft oder einer Ehe leben. Denn der Rentenanspruch für gleichgeschlechtliche Ehepaare wurde 2013 gleichgestellt. Das heißt, Ehepartnerinnen profitieren beim - stark umstrittenen - Ehegattensplitting von einer Zusammenveranlagung bei der Einkommensteuer und zahlen weniger Steuern, als wenn sie als Einzelpersonen veranlagt werden.
Diese Regelung konnte nach der Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht auch bis 2001 rückwirkend in Anspruch genommen werden. Zudem greift bei Lebenspartnerschaft und gleich geschlechtlicher Ehe die sogenannte Hinterbliebenenrente (auch Witwenrente) im Todesfall einer der Partnerinnen. All diese Regelungen treffen aber auf ältere lesbische Frauen nicht zu. Sie sind also doppelt benachteiligt, beziehungsweise in höherem Maße als ihre heterosexuellen Altersgenossinnen, die verheiratet waren. Daher unterliegen sie nach Schätzung von Expertinnen teilweise einem höheren Armutsrisiko.
500.000 lesbische Rentnerinnen leben momentan in Deutschland
Der Dachverband Lesben und Alter e. V. macht schon lange auf das Problem aufmerksam: "Ältere lesbische Frauen haben selten eine Absicherung durch einen Ehemann oder durch eine gute Witwenrente und leben im Alter oft allein. Sie sind darauf angewiesen, ihren alleinigen Lebensunterhalt mit ihrer Rente zu bestreiten. Und das ist mit der Grundsicherung kaum zu erreichen", hieß es etwa schon Anfang letzten Jahres warnend nach den Sondierungen für die neue GroKo.
Denn die regelmäßige Rentenerhöhung sei schon lange von der durchschnittlichen Gehaltsentwicklung abgekoppelt. Und der Anteil an lesbischen Rentnerinnen steigt. Der Dachverband geht aktuell von mindestens 500.000 aus, die älter als 65 Jahre sind. Wer als lesbische Frau keine Chance hatte, in den 1950er und 1960er Jahren zu sparen, stehe jetzt ziemlich schlecht da. Daher spricht sich der Dachverband für eine bedingungslose Grundrente aus, die sich unter verschiedenen Kriterien nach einer Lebensarbeitszeit richtet.
Dafür ist auch die SPD Familienpolitikerin Leni Breymaier. Ihrer Meinung nach gehöre außerdem das Ehegattensplitting abgeschafft, denn es begünstige weiterhin eine Schieflage für alle Frauen bei der gesetzlichen Rente. Eine Grundrente für Frauen müsse es ohne Bedürftigkeitsprüfung, unabhängig von der Rente der Partnerin oder des Partners geben. "Durch das Ehegattensplitting wird belohnt, dass eine Frau wenig arbeitet oder ganz zu Hause bleibt." - vor allem, wenn der Partner oder die Partnerin wesentlich mehr verdiene. "Aber wenn ich 35 Jahre gearbeitet habe, egal ob Erwerbsarbeit, Kindererziehung oder Pflege, dann muss ich auf jeden Fall am Ende eine Rente haben, bei der ich nicht zum Amt gehen muss."
Leider, so stellen Breymaier wie auch der Dachverband Lesben und Alter fest, sei das Thema "geschlechtergerechte Rente" politisch nicht sehr populär. Vermögensberaterin Dillenburger glaubt nicht, dass lesbische Frauen unbedingt einem größeren Risiko unterliegen, in Altersarmut zu geraten. "Ich sehe eher, dass lesbische Frauen besser abgesichert sind als heterosexuelle." Daher ist sie sich auch unsicher, ob eine bedingungslose Grundrente für Frauen, wie sie der Dachverband Lesben und Alter und Leni Breymaier fordern, nötig wäre.
"Das müsste man individuell prüfen. Aus meiner Sicht sind es eher die Mütter, die ein massives Altersversorgungsproblem haben." Das wiederum spräche für ein Familiensplitting, von dem auch Regenbogenfamilien profitieren. Das wäre nach der Eheöffnung ein konsequenter Schritt.
// Kerstin Fritzsche