Ihr Gesangstalent entdeckte ein Musiklehrer als sie elf war: „Ich sollte im Musikunterricht das neue Headset von meinem Lehrer ausprobieren und das hat dazu geführt, dass mich die ganze Klasse über Lautsprecher gehört hat und am Ende meinte, dass ich super singen könne.“ Von da an trat sie auf Schulkonzerten auf, gründete ihre erste Band „Direkt“ mit vier Mädels: „Wir haben deutsche Songs gecovert und Straßenmusik gemacht, auf selbst gebauten Bühnen gespielt und haben geschaut, wie es sich anfühlt vor Menschen aufzutreten.“
Im Wendland verliebte sie sich in die erste Frau, ein Mädchen aus der Theater-AG – und erfuhr zugleich das erste Mal Homophobie: „Als ich mit 16 meine erste feste Freundin hatte, gab es bei den Fußball-Turnieren von den gegnerischen Mannschaften ab und an blöde Bemerkungen – als würde ich jetzt auf alle Frauen gleichzeitig stehen.“ Nach dem Abitur ging Wilhelmine ins spanische Baskenland, wo sie ein Jahr lang als Au-Pair-Mädchen arbeitete. Danach war für sie klar: Es geht zurück in die deutsche Hauptstadt. Dort spielte sie mit der Gitarre auf der Straße, coverte deutsche Bands wie AnnenMayKantereit: „Ich habe viele Stunden an der U-Bahn-Station Senefelder Platz verbracht“, erzählt sie und lacht. Der Traum, als Musikerin zu leben, wächst – das erste Mal schreibt sie eigene Songs und textet zeitgleich Lieder für andere aus dem Pop- und Schlagerbereich. „Durch diese Zusammenarbeit mit den Kollegen habe ich mich stark weiterentwickelt, aber ich musste immer mit Nebenjobs mein Leben finanzieren.“
„Ich po
sitioniere mich, bin mit einer Frau zusammen“
Diese Zeit sei nicht einfach gewesen, aber sie gab nicht auf. Vor zwei Jahren kam sie dann bei ihrer heutigen Plattenfirma Warner unter Vertrag. Für die lesbische Gemeinschaft produziert sie in dieser Zeit mit einer Freundin den YouTube-Kanal „The NoisyRosy“: „Zwei Jahre lang haben wir dort jeden Donnerstag vor laufender Kamera alles rund ums Thema Coming-out bequatscht“. Und zur gleichen Zeit wird sie im Alltag angepöbelt, mit einer Wasserflasche und anzüglichen Worten beworfen: So muss sie sich mit ihrer Freundin im Berliner Einkaufszentrum Alexa anhören: „Ihr braucht doch nur den richtigen Mann!“.
Mit ihrer derzeitigen Partnerin, einer PR-Frau, ist sie seit zwei Jahren zusammen. Nun denkt sie gerade über „Nestbau“ nach und möchte gern eine eigene kleine Familie, will dabei dennoch für die Community aktiv bleiben: „Ich positioniere mich, bin mit einer Frau zusammen, gehe damit offen um und möchte gern andere Künstlerinnen ermutigen, sich zu outen. Und ich werde auf jeden Fall auf CSDs spielen!“.
Mit dem Song „Meine Liebe“ schaffte sie endlich den erhofften Durchbruch, ausgerechnet mit ihrem Coming-out-Lied. „Ich habe in Worte gepackt, welche Erfahrungen ich mit meinen Gefühlen gemacht habe.“ Die Liebe zu einem Mädchen, der Umzug vom Dorf in die Stadt, den Mut haben zu sagen, das sie eben liebt wie und wen sie liebt. Die Menschen im Berliner Admiralspalast sind im Oktober 2019 magnetisiert von der kleinen Frau mit der großen Stimme und ihrem Gitarristen. Wilhelmine lässt einen inne halten und tanzen zugleich; wickelt mit ihren Grübchen die Zuhörerin ein und verführt mit ihren rhythmischen Handbewegungen. Sie erzählt: „Ein Mädchen schrieb mir, sie habe ,Meine Liebe‘ an Verwandte und Freunde geschickt und sich damit geoutet – das finde ich unfassbar, dass ich ein Lied geschaffen habe, das Leute ,benutzen‘ können, um Dinge zu sagen, die sie sich selbst nicht trauen auszusprechen. Das ist unfassbar – schön!“
EP „Komm wie du bist“
(Warner Music) Die dazugehörige Debüt-Tour
wurde verschoben
www.wilhelminesmusik.de