Von Leila van Rinsum
3.4.2021 – Merve Aksoy ist energiegeladen. Pandemie und Lockdown sind ihr nicht anzumerken. Im virtuellen Gespräch aus ihrer Berliner Altbauwohnung heraus, versprüht die 26-Jährige Leidenschaft und Leichtigkeit, die ansteckend sind. „Es war immer mein Traum, mal ein L-MAG-Interview zu geben“, verrät sie und lacht. „Das bestätigt mein Motto: Glaube an dich, und es wird der Zeitpunkt kommen, an dem du deine Ziele erreichst.“
Schon zu Beginn ihrer Karriere hat die 26-jährige Schauspielerin einige Ziele erreicht. Als sie 2018 ihre Ausbildung an der Starter Schauspielschule in Berlin abgeschlossen hatte, bekam sie kurz darauf bereits die Rolle der „Shirin“ in dem preisgekrönten Kinofilm „Nur eine Frau“ von Sherry Hormann. Als Shirin spielte Aksoy die Schwester der Hauptfigur, die von einem ihrer Brüder ermordet wird, weil dieser ihren selbstbestimmten Lebensstil ablehnt. Der Film basiert auf der wahren Geschichte der 2005 in Berlin ermordeten Hatun Sürücü.
„Shirin war eine herausfordernde Rolle für mich, weil sie total das Gegenteil von mir ist“, erzählt Aksoy, „so eine Rolle muss man erst einmal verstehen, annehmen und lieben.“ Shirin lässt in dem Film den Mord an ihrer Schwester geschehen und verteidigt im Nachhinein sogar ihre Brüder, welche die Tat planten. Die Rolle habe sie sehr mitgenommen, erzählt Merve Aksoy, weil sie die Persönlichkeit der Filmfigur beim Dreh so verinnerlicht habe. „Meine Theorie ist: Duschen hilft!“, verrät sie. „Immer wenn ich vom Set komme, dusche ich die Person ab, die ich spiele.“ Dennoch reizen sie leidende und tiefe Rollen, „die einen mitreißen“. Sie möchte, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer tiefer hinsehen und Mitgefühl entwickeln.
„Mich nerven diese Schubladen”
Aksoy ist es wichtig, ihren Beruf und ihre Position in der Öffentlichkeit zu nutzen. So setzt sie sich für queere Sichtbarkeit ein, indem sie zum Beispiel Mitglied der Queer Media Society ist, die queere Menschen in der Medienbranche vernetzt, unterstützt und Öffentlichkeitsarbeit macht. „Mich nerven diese Schubladen, die immer aufgemacht werden“, sagt Aksoy. Ihr wurde schon mitgeteilt, sie sehe nicht „deutsch“ oder nicht „türkisch“ genug aus. Und oft begegnet ihr die Vorstellung, dass lesbische Frauen keine heterosexuellen Figuren darstellen könnten. Vor allem aber stört es sie, dass es in Drehbüchern noch immer zu selten queere Charaktere mit Tiefe gibt.
„Sexualität sollte keine Charakterbeschreibung sein, es sollte einfach eine Nebeninformation sein“, fordert sie. „Eine Figur ist ja nicht nur lesbisch oder schwul, sondern beispielsweise auch Mutter oder Tochter, sie hat eine Vergangenheit. Ich finde es schade, wenn das nicht thematisiert wird, sondern nur die Sexualität als einziger Inhalt der Figur in den Vordergrund gestellt wird.“
In der Januar-Sendung der Comedy-Show Kroymann, bei der es auch ums Coming-out ging, ist Merve Aksoy Teil einer überwiegend queeren Besetzung, die auch heterosexuelle Rollen spielte. Ein verbales Coming-out brauchte es in der Filmbranche für sie nicht. Dennoch beteiligte sie sich an der Aktion #actout.