In sozialen Medien und Musikvideos zeigst du klar, dass du lesbisch bist. Inwiefern ist es dir wichtig, dadurch LGBT sichtbarer zu machen?
Die Leute sollen merken: Homosexualität ist nichts Schlimmes, sondern so normal wie jede andere Beziehung. Bei einem TikTok-Livestream mit meiner Freundin wurde ich zum ersten Mal mit homophoben Kommentaren konfrontiert. Erst war ich eingeschüchtert. Dann haben wir weitergemacht: uns geküsst, in den Arm genommen und darauf geschissen. Ich will den Leuten zeigen, dass sie mit ihrem Hass gegen so eine große Bewegung nichts ausrichten können.
Das macht queeren Jugendlichen Mut! Du hast dich mit 14 Jahren geoutet. Wie war das?
Ich habe meinen Eltern einen kleinen Brief geschrieben und ihnen unters Kopfkissen gelegt: „Liebe Mama, lieber Papa, ich glaube, ich stehe auf Frauen. Meine Freunde wissen das schon, mir geht es gut.“ Dann bin ich eine Woche zu einer Freundin nach Wuppertal gefahren – in gewisser Weise also geflohen. Aus dem Zug habe ich ihnen geschrieben, wo sie den Brief finden. Die Antwort kam über WhatsApp: „Alles gut!“ Mein Papa meinte sogar, das habe er schon vermutet. Eltern haben manchmal so ein Gespür. Wenn ich neue Musik aufnehme, zeige ich sie deshalb als erstes meinen Eltern.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich habe wahrscheinlich schon im Bauch gehört, wie meine Mama Geige spielte. Sie ist Violinistin an einer der Berliner Opern und übt jeden Tag. Mein Papa ist Trompeter. Mit vier Jahren habe ich auch angefangen, Geige zu spielen. Als ich in die Pubertät kam, hatte ich keine Lust mehr auf Klassik. Zu Weihnachten habe ich dann meine erste Gitarre bekommen. Sie war mattschwarz und sah aus wie die Gitarre, die Justin Bieber im Musikvideo zu „Boyfriend“ spielt.
In dem Video sitzt er auf der Motorhaube eines Oldtimers und wird von lauter schönen Frauen angehimmelt ...
Ich weiß noch, wie ich als Teenie immer auf die neuen Alben von Justin Bieber oder Shawn Mendes hingefiebert habe. Kaum zu fassen, dass jetzt mein erstes eigenes Album rauskommt.
„Du bist mein Komet, du bist mein Stern“ und „Ganz egal, wie oft du es brichst, mein Herz zerstörst du nicht“ – das sind Zeilen aus deinen Songs. Erzählst du auf dem Album deine eigenen Liebesgeschichten?
Auf jeden Fall. Meinen ersten Song „Drachenblut“ habe ich mit 16 Jahren geschrieben. Da war ich zum ersten Mal verliebt, und wir hatten uns gestritten. Ich kam nach Hause und wusste nicht, wohin mit mir. Ich habe mir dann einen Zettel geschnappt und mir von der Seele geschrieben, was ich fühle und was ich mir wünsche: ein Herz, das nicht kaputt geht, und dass ich alleine stark bin. Meine Songs erzählen von der verrückten Phase des Erwachsenwerdens und davon, wie ich von einem schüchternen Schulmädchen zu einer selbstbewussten jungen Frau geworden bin, die weiß, was sie will, und für ihre Meinung einsteht.
Was hat dir geholfen, so stark zu werden?
Mein Freundeskreis und meine jetzige Freundin Iris. Meine Ex hatte mein Selbstbewusstsein runtergebrettert. Nach dem Motto: Ich schneide dir die Flügel ab, damit du nicht wegfliegst. Iris hat mir das beigebracht, wovon ich im Song „Komet“ singe. Der ist auch an mein altes Ich gerichtet: „Wieso vergleichst du dich? Mach dich nicht dauernd klein! Auch dein Spiegel sagt dir, du sollst genau so sein. Du bist wunderschön, einfach nur so, wie du bist.“
Wie habt ihr euch kennengelernt?
In der Berliner Lesbenszene. Wir sind seit zwei Jahren ein Paar, davor waren wir befreundet. Ich fand sie schon immer todeshübsch und habe sie bewundert. Aber richtig wahrgenommen haben wir uns erst, als ich mich von meiner Ex getrennt hatte. Iris hat den ersten Schritt gemacht. Wir waren in Berlin auf dem lesbisch-schwulen Stadtfest am Nollendorfplatz und beide schon etwas angetrunken. Plötzlich hat sie mir zugeraunt, wie schön sie mich findet und wie gut ich tanze. Ich dachte: „Hä?!“ Ich konnte nicht glauben, dass sie mich auch gut findet.
Deine Freundin Iris spielt in mehreren deiner Musikvideos mit. Wie ist es, gemeinsam vor der Kamera zu stehen?
Wunderschön. Wir sind einander so vertraut, dass die Szenen nicht gespielt wirken. Unsere Blicke sind nicht aufgesetzt, sondern real. Ich glaube, das merkt man. Und das Drehen macht uns einfach Spaß! Iris ist auch Musikerin und nimmt gerade unter dem Namen Irys ihre ersten Songs auf. Ihre Musik ist ganz anders als meine: frech und auf die Fresse.
Ihr wohnt in einer gemeinsamen Wohnung im Osten Berlins – allerdings nicht allein, wie dein Instagram-Profil zeigt.
Unser Kater war einsam, also haben wir uns noch eine Katze geholt. Er ist nicht kastriert. Jetzt haben wir fünf kleine Katzenbabys. Die fangen gerade an zu laufen und miteinander zu spielen. Ich sitze den ganzen Tag davor und schaue sie an – das perfekte Hobby in Corona-Zeiten.
Wie geht es jetzt für dich weiter?
Eigentlich wäre nach dem Album eine Konzerttour geplant gewesen. Jetzt müssen wir abwarten. Ich vermisse es, auf der Bühne zu stehen. Bis das wieder geht, schreibe ich neue Musik.