Warum dann ausgerechnet Film und Serien statt Theater?
Es war eine Welt, die mich immer extrem fasziniert hat; ich habe mich in die
Geschichten hineingeträumt, mit und in ihnen gelebt. Filme und Serien versprachen mir immer etwas Großes, Lebendigkeit und Leidenschaft. Die ersten Serien, die ich schaute, waren „Knight Rider“, „Beverly Hills, 90210“ und „Melrose Place“. Ich durfte keine Folge verpassen! Das Theater habe ich erst viel später für mich entdeckt.
Aber Hand aufs Herz: „Beverly Hills“ war doch reiner Kitsch?!
Ja, total – es ging immer nur um Gefühle und Beziehungen. Aber das ist es ja auch, was viele Menschen und auch mich interessiert und was ich als Schauspielerin ausloten möchte. Wir führen schließlich zu allem eine Beziehung – zu uns selbst, zu unseren Freundinnen, zur Familie und auch zu unserem Beruf.
Als du die Serie „The L Word“ geschaut hast, wolltest du da gerne Teil der Crew werden?
Als ich „ The L Word“ das erste Mal sah, war ich 27 und hatte bis dato nichts mit dieser Welt zu tun. Ich war nie in Gay Clubs, hatte nie Gay Friends, meine damalige Freundin auch nicht. Wir waren nur in einer heteronormativen Umgebung unterwegs. In dieser Serie spielte sich plötzlich alles in einer Welt mit queeren Personen ab. Das war neu für mich und hat mich extrem fasziniert. Damit habe ich mich sehr verbunden gefühlt und identifiziert. Shane und ihre lesbischen Freundinnen ... Da war immer schönes Wetter, sie trafen sich mittags im Café, arbeiteten was Tolles und machten abends Party. Was für eine Welt! … (Wir schwärmen und lästern etwas gemeinsam, Anm. d. Autorin)
Bist du seit deiner ersten Beziehung mit einer Frau regelmäßig in der Berliner Szene unterwegs?
Das fing erst etwas später mit meiner nächsten Freundin an. Ich tu mich immer wahnsinnig schwer, mich neu zu verlieben. Sie hatte viele queere Freunde und da lernte ich auch die Kneipe „Möbel Olfe“ in Kreuzberg kennen. Und dass die eigene queere Clique zur Familie gehören kann. Meinen größten Kampf führte ich mit mir selbst. Mich als die Person zu akzeptieren, die ich bin, fiel mir schwer. Deshalb war #actout ein so wichtiger Schritt für mich. Ich würde mich eher als bisexuell bezeichnen. Ich selbst will mich nicht festlegen und erklären müssen. Aber das erwartet mein Gegenüber ganz oft. Ich dagegen empfinde meine Sexualität als nichts Festgelegtes, sondern als fluide.
Was macht dieses öffentliche Coming-out jetzt mit dir?
Ich habe mir früher mein Leben ganz anders vorgestellt und merke jetzt, dass ich so viele Grenzen und Zäune aufgebaut habe, die aber nicht meine eigenen sind. Ich fange jetzt endlich an, all das zu hinterfragen – etwa wie: Wer möchte ich sein? Und wie möchte ich in Beziehungen treten? Welches Beziehungs- und Familienmodell macht mich wirklich glücklich? Das ist eine Befreiung für mich. Ich löse mich damit von der Angst und der Scham, die über die Jahre von außen an mich herangetragen wurden. Und ich übernehme Verantwortung für die Welt, in der ich leben will.
Hast du denn jemals Homophobie erlebt?
Ja, homophobe Sprüche, die ich hier nicht wiederholen möchte, oder schräge Blicke, wenn man als lesbisches Paar über die Straße geht. Aber ich habe Freundinnen, die in Deutschland auf der Straße attackiert wurden, mit Flaschen beschmissen wurden, weil sie Hand in Hand mit ihrer Freundin
spazieren gegangen sind. Und in meiner Verwandtschaft zum Beispiel haben nicht alle einen Freudensprung gemacht, als ich ihnen meine erste Freundin vorstellte. Sprüche wie „Warum hast du keinen Mann“ oder „Warum hast du kein Kind?“ fielen immer wieder. Homofeindlichkeit im eigenen Umfeld zu erfahren, ist hart.
Zu deiner Rolle als „Tatort“-Kommissarin in Dresden: Hast du bei den Dreharbeiten überhaupt Zeit, etwas von der Stadt zu sehen?
Leider wenig. Ich mag die Altstadt sehr, aber auch die alternative Neustadt. Und vor allem die Natur. Als wir vor eineinhalb Jahren dort einen neuen Fall zu drehen begannen, sah ich montags die Pegida-Demonstrationen und war erschrocken, dass es sie immer noch gibt. Ansonsten liebe ich es, mit meinem Hund an der Elbe entlangzuspazieren.
Wo warst du, als du vor rund fünf Jahren den Zuschlag als „Tatort“-Kommissarin bekommen hast?
Ich habe gerade in Frankreich einen Kinofilm gedreht. Ich war im Atlantik schwimmen, kam zurück in meinen Bungalow und fand eine SMS meiner Agentin: „Du hast die Rolle, aber du darfst es noch niemandem sagen!“ Ich musste lachen und war mächtig glücklich.
Gibt es eine Frauenrolle, die du unbedingt spielen möchtest?
Ich möchte vor allem diverse, vielschichtige Rollen spielen. Die Fantasie von der einen Rolle habe ich nicht. Ich bin vor einiger Zeit über Texte von Maya Angelou gestolpert. Sie war eine US-amerikanische Schwarze Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin. Als Kind wurde sie missbraucht und hat einige Jahre nicht gesprochen. Sie hatte eine Tante, die ihr später Gedichte vorlas, und so begann Angelou wieder zu reden. Das hat mich sehr berührt. Das wäre eine Geschichte, die ich gerne verfilmt sähe. Aber natürlich nicht mit mir in der Hauptrolle.