Wie hat sich dein Leben sonst verändert, seitdem du berühmter bist?
Es hat sich insofern verändert, dass, egal zu welcher Zeit in Berlin, Menschen mich erkennen. Das ist verrückt. Letztens in der Bahn kam ein kleines Mädchen zu mir und sagte: „Du bist Wilhelmine, oder? Meine Mamas sind auch lesbisch. Ich liebe deine Musik.“ Das war super süß und einfach sehr bewegend.
In „Keine Luft“ singst du aber auch vom Druck. Ist der größer geworden?
Das zweite Album hat mir Druck gemacht, ob das genauso gut performt. Ich hatte das Gefühl, dass ich versuchen muss, hinter irgendwas herzukommen, das nicht mal klar definiert ist. Das raubt mir manchmal die Gegenwart, weil ich dann zu sehr in der Zukunft oder in der Vergangenheit denke. Dann muss ich mich wieder dran erinnern, dass ich in der Gegenwart bleibe.
Wie viel Gestaltungsraum hast du bei deinem Plattenlabel? Kann immer noch eine befreundete Youtuberin dein Musikvideo drehen?
Eine Freundin von mir hat das Musikvideo von „Viele“ gedreht: Malwine Zeiseler. Sie ist auch aus der queeren Community, das war mir schon wichtig. Jetzt gerade sind wir in einem Haus in L. A. mit Freundinnen. Wir haben gute Kameras, aber auch eine Reise voller echter Momente.
Du schreibst deine Lieder selbst. Wie läuft das ab?
Meistens entstehen Melodien in mir und Texte. Den Refrain von „Viele“ habe ich geschrieben, als ich auf der Rückreise von Barcelona war. Dann mache ich einen Termin im Studio mit meinem Pro-duzenten und meiner Produzentin und sage, seit Wochen begleitet mich das Lied. Ich habe es noch nicht geschrieben, aber ich stelle mir das ungefähr so vor (singt): „Wir sind sooooo viele.“ Einer von den beiden hat sich ans Klavier gesetzt und Akkorde gespielt, die wir genau so von dem Tag genommen haben.
Deine Texte sind sehr persönlich. Es gehört Mut dazu, das preiszugeben. Überlegst du dir manchmal, etwas nicht aufzuschreiben?
Nö, das ist eigentlich keine Option. Meistens schreibe ich es auf und guck danach, wie es mir geht damit, und zeige das vielleicht den engsten Menschen. Es gab selten Sachen, die ich im Nachhinein noch verändert habe.
In dem Lied „Am Ende“ geht es um Alkoholsucht. Warum ist dir das Thema wichtig?
Ich will den Menschen damit sagen (singt): „Am Ende wird alles gut sein, du kannst bei mir deine Wut zeigen.“ Das ist für mich das rohste Lied, das entstanden ist. Egal, was du erlebt hast, egal, wie alleine du dich fühlst: Du schaffst es raus, du kriegst es irgendwie hin. Ich balanciere immer mit Schwere und Leichtigkeit, aber ich will vor allem Mut machen.
Und wovor bist du weggerannt?
Vor mir selbst am meisten und der Konfrontation mit dem, was hinter Dingen steht. Es ist so leicht, Dinge zu beenden, Beziehungen zu verändern oder jemand anderem die Schuld zu geben für die eigenen Ängste oder für die eigenen Baustellen. Das möchte ich nicht mehr machen.
Vor vier Jahren, sagtest du L-MAG, du denkst über „Nestbau“ nach und möchtest eine eigene kleine Familie. Danach gab es eine Trennung. Jetzt gibt es eine neue „sie“. Und eine Familie?
(grinst) Auf jeden Fall sind Pläne, Ideen und Visionen und ein kleines Gartenhaus dazugekommen.
Mehr willst du nicht verraten?
Wir tauschen uns darüber aus, wie was passieren kann. Also, ich glaube, wenn wir einfach so biologisch ein Baby bekommen könnten, dann wäre das wahrscheinlich schon passiert. (lacht)
Wilhelmines zweites Album „Meere“ erschien Anfang Mai, die Termine ihrer aktuellen Tour stehen hier.