Jax zelebriert mit Roki die traditionellen Rituale
Jax ist lesbisch und besucht im Strip Club, in dem auch ihre Schwester Tawi arbeitet, regelmäßig eine Stripperin, die ihr auch bei den Nachforschungen zu Tawi hilft. Mit Jax, die zudem ein Vorstrafenregister hat, scheint nicht zu spaßen zu sein, außer wenn sie sich um ihre Nichte kümmert, sie in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Haus der Großeltern für den Powwow abholt und dann mit Roki trotz Flucht deren ersten „Mond“ zelebriert.
Roki bekommt zum ersten Mal ihre Menstruation, was für beide ein Grund zu feiern ist, also wird das Ritual so gut es eben geht auf der Flucht begangen. Das ist eine der schönsten Szenen des Films: die Menstruation ist kein Grund zur Scham, sondern ein Grund zu feiern.
Hauptdarsteller:in Lily Gladstone ist „middle-gendered“
Jax wird von Lily Gladstone gespielt, die für Scorseses „Killer of the Flower Moon“ in diesem Jahr als erste Native-American-Person einen Golden Globe für eine Film-Hauptrolle erhielt (eine Oscar-Nominierung bekam sie dafür auch). Gladstone definiert sich selbst als „middle-gendered“ (was so viel bedeuten könnte wie „zwischen den Geschlechtern“) und nutzt die Pronomen she und they. In vielen indigenen Sprachen gibt es den Begriff der „two spirits“ für Personen, die von zwei Seelen bewohnt werden und sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich definieren. „In den meisten indigenen Sprachen gibt es keine Pronomen wie sie und er. Es gibt nur ,they‘ und ich nutze dieses Pronomen auch, um meine Identität zu dekolonialisieren“, erklärte sie in einem Interview mit dem Magazin Salon.
„Fancy Dance“ ist ein ruhiger Film, der in seinem Rhythmus an die fantastische Serie „Reservation Dogs“ erinnert, die vom Erwachsenwerden vierer Teenager in einem Reservat erzählt. Es gibt lange Einstellungen, eine große Nähe zu den beiden Hauptfiguren Roki und Jax, Szenen von übergriffigen und diskriminierenden Situationen, die Native Americans häufig über sich ergehen lassen müssen.
„Tante“ bedeutet „kleine Mutter“ in der Sprache der Cayuga
Besonders berührend ist, dass Tremblay die Sprache ihres Stammes Seneca-Cayuga nutzt und die Figuren immer dann Cayuga sprechen lässt, wenn sie einander nahe sein wollen und sich in brenzligen Situationen helfen. Sie selbst hat in einem drei Jahre dauernden Sprachprogramm in Kanada Cayuga sprechen gelernt, denn aktuell gibt es nur noch 21 Menschen, die Cayuga sprechen.
Und nicht nur im Film findet die Sprache ihren Platz, auch am Set wurden wichtige Worte wie „Schnitt“ mithilfe einer Sprachtrainerin ins Cayuga übersetzt und beim Dreh genutzt. So lernte nicht nur die Filmcrew, auch die Zuschauer:innen erfahren, dass die Bezeichnung „Tante“ in Cayuga wortwörtlich „kleine Mutter“ bedeutet und zu genau dieser wird Jax für Roki, als sie es schließlich zum Powwow geschafft haben und beim großen Memorial-Tanz für die Vermissten und Ermordeten gemeinsam auftreten.
Fancy Dance, USA 2023, 92 Minuten, Regie: Erica Tremblay, Buch: Erica Tremblay/ Miciana Alise; exklusiv auf Apple TV+ (OmU und deutsche Synchronfassung)