Erschienen in der L-MAG-Ausgabe 5-2024 (Sep./ Okt.)
Von Katrin Kämpf
„Are you a gold star lesbian?“, lautete die Frage mit der anonyme Accounts kürzlich die Frage-und-Antwort-App CuriousCat zuspammten. Wie ausgerechnet dieser Begriff aus der Mottenkiste lesbischer Identitätspolitiken Teil einer – vermutlich automatisiert generierten – Spamkampagne werden konnte, lässt sich leider nicht rekonstruieren. Auch die Geschichte des Begriffes „Gold Star Lesbe“ ist überraschend wenig detailliert erforscht.
Kurz gefasst soll der Begriff Lesben, die nie Sex mit einem Mann hatten, bezeichnen. So kurz so unklar, das dokumentiert auch eine Szene aus der Serie „The L Word“ aus dem Jahr 2006, in der die Freundinnen am Pool debattieren, ob Helena, die eigenen Angaben zu Folge nur als Teenager mit ein paar Jungs Sex gehabt habe, was ihrer Meinung nach „nicht zähle“, als „Gold Star“ durchgehe oder nicht.
Der Begriff des „Gold Stars“ an sich stammt aus dem Bereich der militärischen Auszeichnungen, so verlieh die Sowjetunion goldene Sterne für „Helden der Sowjetunion“ und in den USA werden „Gold Star Service Banners“ an Familien von im Militärdienst verstorbenen Soldat_innen überreicht.
Der tätowierte Stern als Erkennungszeichen
In lesbischen Szenen wiederum taucht ein Stern als Erkennungszeichen irgendwann in den 1950er Jahren in Buffalo als Tattoo auf den Handgelenken von Butches und Femmes der Barkultur auf. Ob diese Tattoos wiederum eine der Wurzeln der Gold-Star-Lesbian-Idee sind, ist bislang unerforscht geblieben.
In den 1970er Jahren jedenfalls prägten Debatten um „frauenidentifiziertes“ Leben und Politlesbentum die Frauenbewegungen. In diesem Kontext fing die US-amerikanische Folksängerin Alix Dobkin irgendwann in den 1970er und 80er Jahren an, bei ihren Konzerten Beispiele für lesbische Selbstbezeichnungen zu sammeln, die sie 1990 im Song „Lesbian Code“ auf Platte veröffentlichte. „She’s a Gold Star, got her I.D. card“, lautet eine Zeile.
In den 1990er Jahren allerdings scheint der Begriff in queereren Kontexten aus der Mode geraten zu sein. So veröffentlichte das New Yorker Magazin „Outweek“ 1990 einen langen Artikel über Lesben, die Sex mit Männern haben, in dem der Begriff von keiner der Interviewten verwendet wird. Die Lesben im Artikel trennen zwischen sexuellem Begehren, gelegentlichem Sex und ihrer Selbstidentifikation als Lesben. „Ich bin nicht lesbische Feministin geworden, damit meine Libido kontrolliert wird.“, so eine der Interviewten.
„Wir fickten ein paar Mal, erzählten das aber niemand“
Die Queertheoretikerin Ann Cvetkovich wiederum untersuchte in ihrer Studie, „An Archive of Feelings“, auch die Selbstverständnisse von Lesben, die während der Aidskrise bei ACT UP in New York City aktiv waren. Auch hier spielte Sex mit schwulen aktivistischen Genossen eine Rolle.
Viele der Lesben hielten diese sexuellen Begegnungen und Beziehungen geheim. So berichtet beispielsweise die Filmemacherin Maria Maggenti: „Wir fickten ein paar Mal, erzählten das aber niemand. Es war sehr ‚verboten‘…“ – es hätte nicht zu ihrem Ruf als „big dyke … on campus“ gepasst. Das Wort „Gold Star“ fällt allerdings auch hier nicht und wäre auch schlecht mit queeren Sexualitätskonzepten, die „Lesbe“ nicht als starre, fixierte lebenslängliche Essenz eines Subjekts betrachten, kompatibel gewesen.
Im 21. Jahrhundert scheint „The L Word“ den Begriff kurzzeitig repopularisiert zu haben. Eine Zeit lang tobte er durch die Identitätsmaschine „Tumblr“ und tauchte um 2021 dann im Mainstream-TV, in „Princess Charming“ wieder auf, wo sich eine der Kandidatinnen als „Gold Star“ bezeichnete.
„Gold Star“ wird heute fast ausschließlich negativ beurteilt
Gegenwärtige Texte, die sich mit dem Begriff befassen beurteilen ihn allerdings fast ausschließlich negativ. Er transportiert bi-, pan-, trans- und queerfeindliche Vorstellungen und sexuelle Reinheitsfantasien und impliziert eine strikte Definition dessen, was als „Sex“ zu gelten hat. Strenggenommen ist „Gold Star Lesbian“ also der große böse Begriffsbruder der „Sandkastenlesbe“.
Während „Sandkastenlesbe“ eher darauf abzielt, ein Wort für Lesben zu finden, die recht schnell Klarheit darüber hatten, dass das mit dem Heteroleben wohl eher nichts für sie ist, betont „Gold Star“ über die Assoziation mit der militärischen Auszeichnung noch stärker, dass das irgendetwas besonders Löbliches, ja gar Auszeichnungswertes, sei.
Und wer sollte so eine Auszeichnung verleihen können? Das „Komitee für die Reinheit lesbischer Lebenszusammenhänge“, ein „Libidokontrollausschuss“? In diesem Sinne: zurück in die Mottenkiste mit dem Begriff, Reinheitsgebote sollten bayrischem Bier vorbehalten bleiben.