Ihr fordert, beide Eltern von Beginn an rechtlich anzuerkennen, egal, welches Geschlecht sie haben. Kann es aber nicht tatsächlich in manchen Fällen Konflikte um die Frage geben, wer ein „Recht“ auf das Kind hat – zum Beispiel, wenn ein lesbisches Paar mit Hilfe eines Samenspenders ein Kind bekommt?
Klar kann es da unterschiedliche Interessenlagen geben. Genau deshalb ist es ja so wichtig, zu regeln, wer in welcher rechtlichen Beziehung zum Kind steht. Alle Beteiligten, Eltern wie Spender, sollen sich verbindlich auf etwas einigen und sich dann darauf verlassen können. Und das ist mit der jetzigen Regelung eben gerade nicht der Fall – weil bis zum Abschluss der „Stiefkindadoption“ nicht sicher ist, wer der zweite rechtliche Elternteil ist. Im Übrigen gibt es auch viele Hetero-Paare, die aus medizinischen Gründen eine Samenspende in Anspruch nehmen. Da fragt aber hinterher keiner, ob der Vater wirklich der genetische Vater ist, sondern der wird einfach als zweiter Elternteil eingetragen und ihm wird kein Adoptionsverfahren aufgezwungen.
Eine Reform des Abstammungsrechtes hätte dafür gesorgt, dass lesbische oder queere Familien in diesem Punkt nicht mehr schlechter behandelt werden als hetero Familien. Nun ist die Reform ja nicht gekommen und mit der neuen Regierung ist völlig unklar, wie es weitergeht. Bist du vor allem wütend auf die Politik?
Mehr als das. Die Idee hinter #nodoption war ja ursprünglich, sich ans Verfassungsgericht zu wenden. Familien, die über uns vernetzt sind, haben gleiche Anträge bei verschiedenen Gerichten gestellt. Die meisten dieser Gerichte haben die Fälle dann direkt selbst dem Verfassungsgericht vorgelegt, weil sie überzeugt sind, dass das geltende Recht verfassungswidrig ist. Seitdem liegen die Verfahren aber bei dem zuständigen Richter, der sie seit nunmehr fast vier Jahren nicht bearbeitet. Dazu kann ich schon gar nicht mehr Frustration sagen ... ich weiß nicht, ob ich in einem Land leben will, wo ich vom Obersten Gericht nicht einmal angehört werde! Ich finde, das ist ein ganz gefährliches Zeichen, wenn man mit Minderheiten in einer Demokratie so umgeht.
Könnt ihr da jetzt Druck auf das Verfassungsgericht machen?
Eine Familie hat einen Befangenheitsantrag gegen den betreffenden Richter, Henning Radtke, gestellt. Außerdem haben wir Verzögerungsrügen in allen noch anhängigen Verfahren eingeleitet. Irgendetwas wird sich im nächsten Jahr schon bewegen. Das Problem ist aber, dass der Schaden dann womöglich schon entstanden ist. Die Familien, die diese Gerichtsverfahren führen, oder diejenigen, die in den letzten Jahren keine Stiefkindadoption eingeleitet haben, weil sie darauf vertraut haben, dass das Verfassungsgericht oder die Politik die Sache endlich vernünftig regelt: Was ist mit deren Kindern? Wenn sich zum Beispiel ein Paar trennt, man also nicht mehr adoptieren kann, weil man nicht mehr zusammen ist. Oder es passiert einem Elternteil etwas. Ob da jemand die Verantwortung für übernehmen möchte, frage ich mich ... und kenne die Antwort leider schon.
Diese Unsicherheit betrifft auch deine eigene Familie …
Ja, unser Verfahren wurde ausgesetzt,weil das Gericht abwarten will, was das Verfassungsgericht entscheidet. Das heißt, ich bin weiterhin kein rechtlicher Elternteil unserer Kinder. Falls meiner Frau jetzt was passiert, können sie schlimmstenfalls in staatliche Obhut genommen werden. Meine beiden Kinder, die ich liebe und mit auf die Welt gebracht habe, die nachts mit mir im Bett schlafen. Ich möchte nicht erleben, wie die reagieren, wenn sie von wildfremden Leuten mitgenommen werden. Eine Horrorvorstellung! Oder wenn mir etwas passieren würde, hätten unsere Kinder zum Beispiel keinen Anspruch auf Halbwaisenrente. Auch dieser Punkt wird von uns mit voller Kraft weiterverfolgt: Welche Nachteile den Familien in dieser Zeit entstehen, weil niemand unsere Grundrechte schützt, obwohl es die Pflicht von Politik und Justiz wäre. Das werden wir nicht stillschweigend hinnehmen.
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