Die Hacking-Szene galt lange als weiß, hetero und männlich und ist bis heute davon dominiert. Trotzdem sieht die Realität mittlerweile auch so aus: Netzwerke und Orte, an denen Frauen, Lesben und andere Queers sich zur digitalen Welt und Technik austauschen, finden sich in ganz Deutschland. Die Themen, die auf FLINTA*- Workshops besprochen werden, unterscheiden sich dabei oft von denen in allgemeinen Spaces, wie Janis berichtet. „Es ist wichtig, dass es FLINTA*-Spaces innerhalb der Hacking-Szene gibt, weil dann häufiger Themen wie Online-Sicherheit im Fokus stehen.“
Keine Vorkenntnisse? Kein Problem!
Auch bei den Haecksen gilt: Das Angebot richtet sich an alle technikinteressierten FLINTA* und setzt keine Vorkenntnisse voraus. „Ich finde es super wichtig, Menschen zu befähigen“, sagt Janis. „Insbesondere im Kontext von Feminismus, Hacking und Sicherheit.“ Die Haecksen setzen sich dafür ein, intersektionale und feministische Standpunkte in der Hacker:innen-Szene zu verankern und außerdem Technik barrierefreier zu gestalten. Das fängt bei einfacher Sprache auf Websites an, geht über Bildbeschreibungen und Screenreader bis zur digitalen Bezahlung im öffentlichen Raum.
Die Haecksen wurden bereits 1988 von Rena Tangens und Barbara Thoens gegründet. Mittlerweile sind sie ein eingetragener Verein, sehen sich mit über 1000 Mitgliedern aber eher als basisdemokratisches Kollektiv, in dem Personen in Eigeninitiative verschiedene Projekte umsetzen können.
Webseite, die über Cyberstalking aufklärt
Eines davon ist ein Anti-Stalking-Projekt – eine Website, die Betroffene über Cyberstalking aufklärt und dabei hilft, Überwachungsmechanismen zu erkennen. Denn digitale Anwendungen können missbraucht werden, um zum Beispiel E-Mails mitzulesen oder den Standort zu ermitteln. „Digitale Selbstverteidigung ist besonders für FLINTA*-Personen wichtig. Es gibt viele Gefahren und ein konkretes Beispiel ist eben Stalking im Netz“, erklärt Janis.
Laut dem Lagebild des Bundeskriminalamtes zu geschlechterspezifischer Gewalt waren 2023 über 17.000 Frauen von digitaler Gewalt betroffen. Die Plattform netzpolitik.org kritisiert dabei, dass die Datenerfassung unvollständig sei und Tatbestände wie „Hass im Netz“ nicht verzeichnet wurden. Außerdem wurden Menschen nicht berücksichtigt, die sich nicht innerhalb der zweigeschlechtlichen Norm sehen.
Mehr digitale Gewalt gegen FLINTA*, als es die Statistiken abbilden
Daraus folgt: Digitale Gewalt gegen Frauen und trans, inter, nicht binäre und agender Personen ist ein noch größeres Problem, als in den Statistiken abgebildet wird. „Wir verstehen uns als Hilfestellung zum Verständnis der Problematik. Sensibilisierung ist wichtig, um Themen überhaupt erst wahrzunehmen“, sagt Janis. Trotzdem möchte sie betonen, dass die Haecksen nicht in allen Bereichen fachlich ausgebildet seien und bei Stalking keine juristische oder psychologische Beratung ersetzen können.
Lokale Haecksen-Gruppen gibt es mittlerweile in deutschen, österreichischen und Schweizer Städten und auch die überregionale Vernetzung zu einem großen FLINTA*-Netzwerk ist einzigartig. „Es gibt einen Grund, warum viele queere Menschen an der Hacking-Szene interessiert sind: Es ist eine Szene für Leute, die anders sind, die vielleicht auch ausgegrenzt wurden und die dort Anschluss suchen“, erklärt Janis.
Schutz im Netz - weil es sonst niemand tut
Und es seien Leute, die daran Interesse haben, sich im Netz selbst zu schützen, weil es sonst niemand tue. Ein weiterer Pluspunkt für einige queere Menschen: Viele suchen sich innerhalb der Hacking-Szene ihren eigenen Namen aus, eine selbstbestimmte Identität. „Die meisten haben ein Hacker:innen-Handle, unter dem man sich kennt.“
Innerhalb der Hacker:innen-Szene sind die Haecksen auch auf den Veranstaltungen des Chaos Computer Club (CCC) vertreten, bieten Möglichkeiten zur Vernetzung, Workshops und Vorträge an, beispielsweise zu „Green Coding“ oder Cyberstalking. Der Kongress des CCC findet jedes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr statt und versammelt die internationale Hacking-Szene in Deutschland. „Wir sind nicht Teil des Chaos Computer Club, aber eine Anlaufstelle für FLINTA*“, sagt Janis.
Hacking-Szene immer noch von weißen, cis-hetero Männern geprägt
Eine, die benötigt wird. Denn der CCC sei ein Spiegel der Branche, die noch immer deutlich von weißen, cis-hetero Männern geprägt sei. Das ändere sich mehr und mehr, wobei auch viele beim CCC dankbar für die Haecksen seien und darüber, wie sie die Situation für alle verbessern. „Bei Chaos- Veranstaltungen merke ich, dass viele Themen besprochen und geklärt werden, bevor sie in der breiten Bevölkerung ankommen“, so Janis, „zum Beispiel sind Unisex-Klos, FLINTA*-Räume und eine gute Fehlerkultur schon länger Standard.“
Was Janis aber noch immer negativ auffällt: „Die Hacking-Szene – auch unsere – ist immer noch sehr weiß dominiert. Das ist ein Problem.“ Auch die Haecksen scheitern aktuell daran, PoC (People of Colour) zu erreichen, versuchen es aber weiterhin.
Feministische Hacking-Convention im Juni
In diesem Jahr veranstalten die Haecksen vom 4. bis 6. Juli erstmals eine „Chaos Feminist Convention“ unter dem Motto „Utopia Test Environment“. Die Convention findet im Kulturhaus Eidelstedt in Hamburg statt. Dort wollen sie der Frage nachgehen: Was bedeutet technologische Entwicklung in einer Gesellschaft, die von queerfeministischen Werten geprägt ist? Ein wichtiger Ansatz – denn damit räumen die Haecksen nicht nur mit kapitalistischen und rechtspopulistischen Narrativen auf, sondern setzen auch eigene, neue Erzählungen an deren Stelle.
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