„Allein die Drohung konnte schon erhebliche Auswirkungen haben“
Das spiegelt sich in den mangelnden Zahlen wieder, die es zum Ausmaß dieser institutionellen Diskriminierung gibt. Wie Plötz im Interview mit unserem Schwestermagazin Siegessäule ausführte, sei jedoch zu vermuten, dass die Problematik „viele Tausend“ Frauen betraf.
„Betroffen hat es ja nicht nur die, die tatsächlich das Sorgerecht verloren. Allein die Drohung konnte schon erhebliche Auswirkungen haben: etwa wenn eine Frau bei einer Scheidung alle Bedingungen ihres Mannes akzeptierte, damit dieser vor Gericht nichts von ihren lesbischen Beziehungen verriet.“
Einige lesbische Paare, mit denen sie sprach, hätten berichtet, sich bewusst dafür entschieden zu haben, ihre Beziehung geheim zu halten, um die Kinder behalten zu können. „Das heißt, das muss eine gängige Praxis der Gerichte in der jungen BRD gewesen sein.“
Definition des „Kindeswohls“ blieb den Gerichten überlassen
Ein Einfallstor war das Konzept der „Erziehungseignung“, die lesbischen Frauen abgesprochen wurde, erklärte die Rechtsanwältin Lucy Chebout beim Fachgespräch. Da dieser Begriff, ebenso wie der des „Kindeswohls“, in den Gesetzestexten nicht klar definiert ist, blieb es den Gerichten überlassen, ihn jeweils auszulegen. Dass in den Entscheidungen dann die gesellschaftlich dominanten Normen und Moralvorstellungen der Zeit – und natürlich auch Homophobie – eine Rolle spielten, liege auf der Hand.
Gefragt wurde auf dem Fachgespräch auch nach den Kontinuitäten dieser Praxis. Die Gefahr, dass das Sorgerecht aktiv genommen wird, weil ein Elternteil lesbisch lebt, schätze sie heute als sehr gering ein, sagte Lucy Chebout. Lesbischen Eltern werde das Sorgerecht aber immer noch „weniger gewährt“ als Hetero-Paaren. Wenn ein Kind in eine heterosexuelle Ehe oder Partnerschaft geboren wird, ist der Mann automatisch das zweite rechtlich anerkannte Elternteil. Bei lesbischen Paaren ist dies nicht der Fall: damit beide das Sorgerecht für das Kind erhalten, muss erst der langwierige Prozess einer „Stiefkindadoption“ in Angriff genommen werden (wir berichteten).
Muss Gegenstand öffentlichen Unrechtsbewusstseins werden
Als nächsten Schritt wolle sie versuchen, interfraktionell Gespräche über eine bundesweite Forschung und Aufarbeitung anzustoßen, sagte Ulle Schauws. Auch die Stichworte Rehabilitierung und Entschädigungen fielen zum Abschluss der Veranstaltung.
Kirsten Plötz drückte ihre Hoffnung aus, mit ihrer Forschung, die zunächst exemplarisch auf Rheinland-Pfalz beschränkt ist, eine breitere Debatte auszulösen. Je mehr das Thema zum Teil einer lesbischen Geschichtschreibung und auch zum Gegenstand eines öffentlichen Unrechtsbewusstseins werde, umso leichter werde „es Betroffenen fallen, darüber zu sprechen“.