l-mag, 29.06.2018 - Die bisexuelle Sex-Aktivistin Dorrie Lane schuf die weltbekannte "Wondrous Vulva Puppet", ein vergrößertes Vulva-Kissen. 2017 war sie zu Gast beim Pornfilmfestival Berlin und wurde außerdem mit einem "PorYes Award" für ihr Lebenswerk geehrt. Im L-MAG Interview in der Mai/Juni Ausgsabe spricht sie offen über Sex und weibliche Lust

Wann hast du angefangen, dich für Sex zu interessieren?
Dorrie Lane: Ich habe mich schon immer für Sex interessiert. Als Teenager passte ich auf die Kinder eines Arztes auf und las in den Lexikon-Bänden, die er zu Hause hatte, alles, was ich über Frauen­körper finden konnte. Das Entscheidende war für mich aber, dass ich direkt schwanger wurde, nachdem ich zum allerersten Mal Sex mit einem Mann hatte. Ich war 18 Jahre alt und Abtreibung war damals keine Option. Ich war so wütend, dass mir niemand zuvor erklärt hatte, wie man eine Schwangerschaft verhindern kann. Als ich mein Baby noch gestillt habe, bin ich dann wieder schwanger geworden. Den Vater habe ich geheiratet, nach sieben Jahren unglücklicher Ehe bin ich dann aber alleine nach San Francisco umgezogen. Dort begann ich, meine Freizeit in Sexclubs zu verbringen.

Wie bist du darauf gekommen, eine Vulva-Puppe zu basteln?
Ich wollte etwas Drei­dimensionales machen und etwas, das sprechen kann - so kam ich auf die Idee. Es sollte weich, einladend und optisch ansprechend sein. Außerdem war mir wichtig, dass die Wondrous Vulva Puppet edel ist, deswegen habe ich die Farben des Königstums - Rot, Purpur und Gold - ausgewählt und sie aus Stoffen wie Samt und Seide zusammengenäht. Es sollte lustvoll sein, die Puppe anzufassen. Denn darum geht es ja auch, wenn die Frauen sich danach selbst anfassen. Ich will damit die Augen, die Hände und eventuell auch die eigene Vulva stimulieren. Die Vulva-Puppen sind größer als eine echte Vulva, damit Frauen ihre Hand reinstecken können und ihre eigenen Gefühle mit der Puppe teilen können. Ich nähe alle meine Puppen selbst. In 25 Jahren habe ich wohl mehr als 10.000 Exemplare davon genäht. Heute gibt es viele Kopien, die aber nicht über die anatomische Präzision meiner Puppen verfügen. Ich kenne mich ja mit Anatomie sehr gut aus.

Du nennst dich selber "Vulvalutionärin". Was genau bedeutet das?
Das heißt, dass ich mich dafür engagiere, die Vulva sichtbarer zu machen. Und das ist schon eine Art Revolution, weil es in der USA immer noch üblich ist, das Wort "Vagina" statt "Vulva" zu verwenden. Ich bin empört, wenn ich das höre. Es suggeriert, dass die Vagina das einzige Sexorgan der Frau wäre. Es ist, als würde die Klitoris nicht existieren. Ich fand es zum Beispiel enttäuschend, dass Eve Ensler ihr Theaterstück "Die Vagina-Monologe" genannt hat. Wenn sie statt­dessen "Vulva" verwendet hätte, wäre das eine Gelegenheit gewesen, die Dynamik zu ändern.


Sigmund Freud hat großen Schaden angerichtet mit seiner Behauptung, der vaginale Orgasmus sei der einzige "wahre" Orgasmus ...
Die Klitoris ist das einzige menschliche Organ, das nur dazu dient, sexuelles Vergnügen zu bereiten. Wenn Frauen es verstehen und versuchen, alle erogenen Zonen ihrer Klitoris zu spüren, entdecken sie eine viel­fältige Vergnügenswelt. Die Klitoris ist das Hauptsexualorgan der Frauen. Es ist sehr patriarchal, sich nur auf die Vagina zu fokussieren.


Mir scheint es unausweichlich, dir die Frage zu stellen: Wie oft masturbierst du?
Ich masturbiere nicht jeden Tag, aber auf jeden Fall ein paar Mal pro Woche. Masturbation kann vielseitig verwendet werden, zum Beispiel, um sich eine kreative Pause zu gönnen oder um sich zu entspannen. Für mich persönlich ist Masturbation besonders hilfreich, wenn ich krank bin. Wenn ich erkältet bin, masturbiere ich jeden einzelnen Tag. Das ist Medizin! Masturbation ist kostenlos und produziert mehr Endorphine als jede Droge, die es gibt. Ich bin eine Masturbierende, ich bin 65 Jahre alt und sehr gesund !
                                                                              //Interview: Annabelle Georgen