Heddas Begehren richtet sich nach Freiheit und Frauen
Was Ibsen 1891 nur umkreisen konnte, spricht der Film mit sinnlicher Klarheit aus: Heddas Begehren richtet sich nicht nur nach Freiheit, sondern nach Frauen. Ihre Beziehung zu Eileen oszilliert zwischen Manipulation und Hingabe. Die Szenen zwischen Thompson und Hoss vibrieren vor unterdrückter Leidenschaft – Intimität, die zugleich befreiend und zerstörerisch wirkt. Und Thea ist jene Präsenz, die Heddas sorgfältige Kontrolle ins Wanken bringt.
DaCosta bleibt Ibsens Geist durch die Zuspitzung von Heddas Konflikten treu. Schon die originale Figur sehnte sich nach Erfahrung, Gefahr und Grenzüberschreitung in einer Welt, die dafür kein Vokabular hatte. DaCosta macht aus der «unbegreiflichen Frau» des 19. Jahrhunderts eine queere Figur, die sich weigert, sich definieren zu lassen.
Alles glänzt - bis die Oberfläche reißt
Die Regisseurin schrieb die Rolle ausdrücklich für Thompson (mit der sie schon «The Marvels» drehte): «Ich wusste, sie ist Hedda – eine schwarze Frau in einer weißen Gesellschaft.» Diese Perspektive verleiht dem Film zusätzliche Tiefe: Hedda wird zur Spiegelung von Macht, Begehren und Erwartungen.
Auch die Musik erzählt von Befreiung. Komponistin Hildur Guðnadóttir setzt auf Intuition, Perkussion und Stimmen – ein Klang, der durch die Szenen pulsiert wie ein lebendiger Atem. Für «Hedda» wollte Guðnadóttir «Energie und Vorwärtsbewegung schaffen, ein Gefühl von Freude und kreativer Spannung». Visuell schillert «Hedda» zwischen Eleganz und Exzess. Sean Bobbitts Kamera spiegelt die Zerrissenheit der Heldin in Glas, Gold und Schatten. Alles glänzt – bis die Oberfläche reißt.
Wie bei Ibsen bleibt die Frage: Was geschieht mit einer Frau, die lebt, liebt und denkt, wie sie will? DaCostas Antwort ist leidenschaftlich und kompromisslos. «Hedda» ist kein Kostümdrama, sondern ein queeres, fiebriges Psychogramm – ein Manifest weiblicher Selbstbestimmung.
Hedda, USA 2025, Regie/ Drehbuch: Nia DaCosta, mit Tessa Thompson, Nina Hoss, Nicholas Pinnock, Imogen Poots, 107 Min., seit 29.10.2025 bei Amazon Prime Video