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Ungarische Lesben schreiben offenen Brief an Alice Weidel

15.2.2025 - Der ungarische Lesbenverband Labrisz nahm Alice Weidels Besuch bei Regierungschef Viktor Orbán zum Anlass für einen offenen Brief an die lesbische AfD-Politikerin – und löste damit ein großes Medienecho aus. Unser Interview mit Dorottya Rédai von Labrisz.

Von Katrin Kremmler

15.2.2025 - Anlässlich des Besuchs von Alice Weidel bei Viktor Orbán in Budapest am 11./12. Februar hat sich die ungarische Lesbenorganisation Labrisz mit einem offenen Brief  an die AfD-Spitzenkandidatin zu Wort gemeldet. Darin heißt es unter anderem: „Orbán spricht davon, Mauern [die Brandmauer] einzureißen, während er neue Mauern errichtet – Mauern des Hasses und der Ausgrenzung. Orbán freundet sich mit Faschisten, Diktatoren, Kriminellen, Betrügern und Massenmördern an. Willkommen im Club, Alice Weidel! Willkommen in einem Land, in dem Lesben keinen Zugang zu In-vitro-Fertilisation haben, keine Kinder adoptieren dürfen und, wenn sie schon Kinder haben, nur eine von ihnen das Sorgerecht ausüben kann. (…) Liebe Alice Weidel, welche Botschaft senden Sie den ungarischen Lesben mit Ihrem Besuch? Hier unsere Botschaft an Sie: Machen Sie nach Ihrem Besuch in Budapest einen Spaziergang mit Ihrer Familie im Berliner Tiergarten, bleiben Sie ein paar Minuten vor dem großen grauen Betonklotz stehen und erzählen Sie Ihren Kindern, dass im Zweiten Weltkrieg Frauen wie ihre Mütter von den Nazis verfolgt wurden.“

Wir haben mit Dorottya Rédai von Labrisz gesprochen.

L-MAG: Dorottya, schön dass Du Zeit für uns hast, du bist gerade auf einer feministischen Konferenz in Bulgarien. Wie ich sehe, hat Euer offener Brief an Alice Weidel einiges an Medieninteresse hervorgerufen, sowohl regierungsnahe als auch regierungskritische ungarische Medien haben sich dazu geäußert. Was habt ihr euch davon erhofft, und welche Reaktionen habt ihr bekommen?

Dorottya Rédai: Um das gleich zu klären: Ob Alice Weidel unseren Brief liest oder nicht, ist völlig nebensächlich, darum ging es uns nicht. Wir wollten damit in erster Linie die ungarische Öffentlichkeit auf die Widersprüchlichkeit dieser politischen Position hinweisen, und wohin sie vor dem Zweiten Weltkrieg schon einmal geführt hat. Auch Lesben wurden von den Nazis verfolgt und ermordet, und heute rückt die ganze Welt immer weiter nach rechts. Orbán baut ein System, in dem LGBT+ zunehmend entrechtet werden und immer weniger Möglichkeiten haben. Weidel und Orbán reden nur miteinander, weil sie rechtsextreme, ausgrenzende Systeme aufbauen. Darüber, dass sie lesbisch ist, kann Orbán hinwegsehen.

Dem Medienecho lässt sich entnehmen, dass viele in Ungarn bisher gar nicht wussten, dass Weidel lesbisch ist und mit ihrer in Sri Lanka geborenen Lebensgefährtin und zwei Kindern in der Schweiz lebt.

Wir erwähnen, dass ihre Partnerin einen „Einwanderungshintergrund“ (bevándorló hátterű) hat – das haben wir im Ungarischen so formuliert, weil es den Begriff „Geflüchtete/ refugee“ durch die jahrelange Hetze gegen das Feindbild „Migranten“ in der ungarischen Öffentlichkeit schon gar nicht mehr gibt. Seither werden wir von vielen, meist männlichen Kommentatoren darüber aufgeklärt, dass es sich hier nicht um eine „Einwanderin“ handelt, weil sie als Baby von einem Schweizer Pfarrerehepaar adoptiert wurde. Aber die Umstände, in denen so etwas gemacht wird und in denen Menschen zur Flucht gezwungen sind, hat man schon nicht mehr auf dem Schirm. Und natürlich ist es nicht dasselbe, aber viele ungarische gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien sind mittlerweile vor Orban geflohen und leben in Berlin oder Wien, wo sie heiraten können.

Weidel selbst sagt, sie identifiziert sich nicht mit der „queeren woke-Ideologie“. Das ist ein neues Ding im deutschen Kultur-(Wahl-)kampf, „queer“ wird von rechts als linksgrünes politisches Projekt denunziert, das die gesamte LGBTQ+ Minderheit politisch vereinnahmt hat, wogegen konservative/ rechtsextreme Lesben und Schwule sich wehren. Und bei Orbáns Leuten gab es ja auch mehrere schwule Sexskandale..

Aber der ist nicht Parteivorsitzender einer Partei mit über 20%. Und Weidel ist deshalb trotzdem Teil dieser Minderheit, und ihr freies Leben als lesbische Frau mit Frau und Kindern kann in einem System wie dem, für das ihre Partei steht, sehr schnell zu Ende sein.

Was gab es sonst noch für Reaktionen?

Wir bekommen viele rechte Kommentare, die uns vorhalten, eine Partei von über 20% zu kritisieren. So wird die rechtsextreme Machtübernahme legitimiert. Sobald eine Partei nur groß genug ist, muss man sich ihr unterordnen. Viele denken hier so. Dabei ist diese rechtsextreme Politik der Entrechtung und Ausgrenzung nicht einmal von Prinzipien geleitet. Es geht vor allem um Widerspruch gegen die liberale Ordnung und die Errichtung eines auf „traditionellen Werten“ basierenden Systems. Darum wollten wir diesen Anlass nutzen, um uns zu Wort melden.

 

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