Von Cornelia Fleck
15.7.2025 - „Mein Sohn wurde verprügelt, weil er schwul ist – und die Polizei schaute zu. Ich bin empört. Ich liebe meinen Sohn.“ Mit diesen Worten wandte sich Jeanne Manford verzweifelt an die New York Post, nachdem sie durch einen Anruf aus dem Krankenhaus von der Gewalttat erfahren musste. Doch die Öffentlichkeit war 1972 weniger vom Übergriff entsetzt als über eine Mutter, die bekundet, sie liebe ihren schwulen Sohn.
Monate später marschierte Manford an seiner Seite auf dem Christopher Street Liberation Day. Auf ihrem Schild der Aufruf: „PARENTS OF GAYS: UNITE IN SUPPORT FOR OUR CHILDREN.” Wildfremde Menschen liefen plötzlich auf sie zu, weinten und fragten: „Würden Sie auch mit meinen Eltern reden?“. Das war das Gründungsmoment der Organisation PFLAG (Parents and Friends of Lesbians and Gays).
Tanzen und Widerstand
Und heute? CSD, Ballroom, Drag und Vieles, was früher im queeren Underground gedieh, ist inzwischen Popkultur. Nach Verachtung und Kriminalisierung ist der Kult um Queerness durchaus ein Fortschritt.
Was aber von denen, die gerne mit uns tanzen, oft übersehen wird: All das ist eigentlich Widerstand – und die Anliegen dahinter, sind alles andere als lustig.
Das, was Weiße gerne von Schwarzen übernähmen, sei „everything but the burden“, klagte 2003 der Autor Greg Tate. Wollen auch cis Heteros von Queers alles, was sexy glitzert - außer der Bürde? Zu lange blickte die Mehrheit auf uns wie auf Barbie World: Diskriminierung gibt es nicht mehr, dafür Regenbogenflaggen und rosa Zuckerguss. Endlich könne man aufhören, für queere Belange zu streiten, oder nicht? Ein gefährlicher Trugschluss, in dessen Schatten Queerphobie und Hass wieder stärker wurden.
Solidarität statt Vereinzelung, Abgrenzung und Wettkampf
Dabei ist Solidarität über Identitätsgrenzen hinweg gar nicht so selten. Mutual Care, gegenseitige Hilfe, nennt sich das Konzept, das dem Darwin‘schen Survival of the Fittest gegenübersteht. Auch Lesben waren oft solidarisch, haben in der AIDS-Krise an der Seite ihrer schwulen Freunde gekämpft, Spenden gesammelt und Kranke gepflegt. Im feministischen Kampf gegen häusliche Gewalt und beim Aufbau von Frauenhäusern bewiesen sie Loyalität gegenüber ihren heterosexuellen Schwestern.
Der Neoliberalismus jedoch fokussiert uns sehr auf den eigenen Bauchnabel. Wenn Vereinzelung, Abgrenzung und Wettkampf zu Werten erhoben werden, verkümmert Solidarität.
Jeanne Manfords Widerstand entflammte, weil sie miterlebte, was gesellschaftliche Verachtung heißt. Sie war bereit, diese Bürde mitzutragen, wohlwissend, dass eine weiße, heterosexuelle Grundschullehrerin andere Menschen erreicht als ihr aktivistischer, schwuler Sohn.
Privileg ist ein mächtiges Tool in emanzipatorischen Kämpfen
Privileg ist ein mächtiges Tool in emanzipatorischen Kämpfen. Das erkannten einst auch Brad Pitt und Angelina Jolie. Nach Hochzeitsplänen gefragt, antworteten sie, dass sie nicht heiraten wollten, bis alle Paare in den USA das Recht zur Ehe hätten.
Auch heute, wo gewaltbereite Neonazis unsere Prides angreifen, braucht es Allianzen. Darum ruft die Berliner Demonstration „Straight Against Hate“ am 19. Juli explizit Heterosexuelle auf, gegen Queerfeindlichkeit auf die Straße zu gehen. Es geht um nichts Geringeres als die offene Gesellschaft für Alle.
Cornelia Fleck ist Mitorganisatorin der Straight Against Hate-Parade.
„Straight against Hate“ – Parade
am Sa, 19.7.2025, 12 Uhr, in Berlin
Treffpunkt: Homo-Mahnmal im Tiergarten (Mahnmal der vom Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen)
Infso: travestiemachtbeliebt.de