Dabei gibt es gute Optionen für eine Datingshow, die mehr Wünsche befriedigt als nur die Suche nach der einen großen Liebe (was bei Bachelor & Co. ohnehin noch nie wirklich geklappt hat!) und nicht nur ein Spezialprogramm für die queere Bubble ist.
Wieso eine künstlich überhöhte Princess, in die sich glaubwürdigerweise doch immer nur eine Minderheit des Casts verlieben wird? Wieso bindet sich RTL an dieses selbst auferlegte Korsett, anstatt die einmalige lesbische Chance zu nutzen, das Feld für alle zu öffnen und am Ende mehr als nur ein glückliches Paar zu haben?
Princesses Charmings statt redundantes Kreisen um eine Person
Schließlich haben wir hier 20 paarungswillige queere Singles, die nur allzu offen dafür wären, sich auch anderswo im Haus umzuschauen. Auch die Princess würde sich sicherlich freuen, mit in der Princesses Charmings-Villa zu wohnen (von mir aus kann ja ein besonderer Anreiz erfunden werden, sie zu erobern, aber wenn sie die Begehrenswerteste ist, müsste das ja auch von ganz alleine passieren!). Oder gleich ganz ohne Prinzessin: Die Datingshow Are You The One? (ebenfalls bei RTL+), in der 20 Personen ihr - vor der Staffel determiniertes - „perfektes Match“ finden müssen, ist doch geradezu geschaffen für eine lesbische Ausgabe.
Durch die Chancengleichheit für alle würde sich die Stimmung im Cast entspannen, es würde mehr passieren, und wir würden die Kandidat:innen und ihre interessanten Storys besser kennen lernen. In Staffel 2 hätten wir etwa miterleben können, wie es Amelia nach dem übergriffigen Kuss von Hanna wirklich ging, wie Sabchos Lernkurve im Haus verlief und wie Caro von Kim und Kathi das „Gendern“ beigebracht bekam - anstatt das erst aus ihren Interviews danach zu erfahren. Mit anderen Worten: Mehr und bessere Unterhaltung als das redundante Kreisen um die Princess.
Authentizität und Ehrlichkeit: wertvolle Güter im Reality-Genre
Und ein weiterer großer Pluspunkt von Princess Charming sollte mehr genutzt werden: Fast alle Teilnehmenden machten nicht - wie man das aus Heteroformaten kennt - für „den Fame“ mit (= Social Media-Bekanntheit, Start einer Karriere als „Reality-Star“), sondern vor allem, um eine gute Zeit unter Lesben zu haben und ihre Themen sichtbar zu machen.* Das bedeutet: kein Verbiegen vor der Kamera, Ehrlichkeit und Authentizität – eigentlich unfassbar wertvolle Güter im Reality-Genre!
Und, ach ja, queeres Fachpersonal hinter den Kulissen - und nicht nur eine Person! - sollte mittlerweile selbstverständlich sein! (Übrigens: Wir sind es - anders als umgekehrt - gewöhnt, auch die Heteroperspektive mitzudenken!)
Welche Sendung auch immer im nächsten Jahr kommt: Wir sollten nicht mit überhöhten Erwartungen rangehen – es handelt sich schließlich immer noch um eine mainstreamige Unterhaltungsshow eines Privatsenders.
RTL aber sollte die regenbogenfarbenen Zeichen der Zeit erkennen: Mit so einem offenen und motivierten lesbischen Cast ließe sich doch so viel mehr erzählen! Andernfalls steuern wir auf ein Princess Charming zu, das vom Bachelor bald nur noch durch die verordnete Person des Begehrens zu unterscheiden ist - und das will doch wirklich niemand!
* Wichtiger Tipp: Bitte verschießt euer Pulver nicht gleich in den ersten Tagen, denn dann muss aus Zeitgründen zwangsläufig viel Gutes unter den Tisch fallen!