"Eine Liebesszene wollten wir ihnen gönnen"
„Es ist ein Film über die Zerschlagung des Patriarchats.“ - Mit diesen Worten gewann Sevigny, die Lizzie Borden auch produzierte, Kristen Stewart für ihre erste queere Rolle (und stellte übrigens mit ihr, Shaw und O’Hare einen recht homosexuellen Cast zusammen).
Sevigny, die von Lizzies Schuld und Brigdets Mitwisserschaft überzeugt ist, ließ dem tragischen Paar ausdrücklich eine Liebesszene ins Drehbuch schreiben. „Das wollten wir ihnen gönnen“, sagte sie in The Advocate. „Der ganze Film ist so beherrscht und zugeknöpft.“
Damit hat sie Recht: Trotz des reißerischen Untertitels „Mord aus Verzweiflung“ (im Original heißt der Film einfach nur Lizzie) ist die Atmosphäre zwar düster und kündigt durch dramatische Musik unnötigerweise permanent Unheil an, von dem wir ja von Anfang an wissen, aber – abgesehen von der Tat an sich - emotional nicht besonders packend.
Wieso Sevigny mit dem Film nicht ganz zufrieden ist
Sevigny, für die der Film ein Herzensprojekt war, äußerte sich gegenüber der Huffpost selbst unzufrieden über die „sehr zurückhaltende“ Arbeit des Regisseurs Craig Macneill, der unter anderem Szenen zwischen Lizzie und ihrer Stiefmutter und Momente der Annäherung zwischen Lizzie und Bridget rausschnitt. „Ich sagte ihm, ‚Du bist doch dumm, wenn du eine weitere Szene mit Kristen Stewart hast und sie nicht in deinen Film tust“, sagte sie nach der Premiere beim Sundance Film Festival 2018 ungewohnt offen.
Macneill habe auf vieles verzichtet, was „die Beziehungen komplizierter machte und besser erklärte, wieso Lizzie die Morde beging. Jetzt bleibt es ein bisschen stärker im Vagen, als Bryce und ich das ursprünglich geplant hatten. […] Aber wir haben ihn angeheuert, und das war seine Vision und Interpretation.“
Das ist schade, vor allem was Kristen Stewart angeht, die ihre Bridget schüchern und stoisch sein lässt. Wäre ihre Rolle weniger zweidimensional angelegt, hätte das dem Film sicherlich mehr Dynamik gegeben. Und vielleicht hätte es Lizzie Borden dann auch ins Kino geschafft und wäre nicht direkt auf DVD erschienen.
Lesbengerüchte um die echte Lizzie Borden
Die echte Lizzie Borden blieb übrigens in ihrem Heimatort in Massachusetts wohnen und starb dort im Alter von 67 Jahren. Die Theorie, dass sie eine Affäre mit Bridget Sullivan gehabt haben könnte, kam erst viel später auf. Zu ihren Lebzeiten gab es allerdings durchaus Spekulationen über ihre enge Freundschaft mit der Schauspielerin Nance O’Neil, die als bisexuell oder lesbisch galt. Bridget Sullivan, die die wichtigste Zeugin vor Gericht war, zog nach Montana, heiratete dort und starb 1948.
Wer mehr über den echten Mordfall und seine Hintergründe lesen will: Dieser englischsprachige Artikel fasst Fakten und (lesbische) Spekulationen zusammen.
Lizzie Borden – Mord aus Verzweiflung (USA 2018), Buch: Bryce Cass, Regie: Craig Macneill, mit Chloë Sevigny, Kristen Stewart, Fiona Shaw, Denis O’Hare, Kim Dickens u.a., 105 min., auf DVD/ BluRay