Tatsächlich steht das LFT in der Kritik: Das Programm soll in Teilen transfeindlich sein. Bremens Frauensenatorin Claudia Bernhard hat deshalb ihre Schirmherrschaft zurückgezogen, der Verein LesbenRing zieht sich vom LFT zurück, es hagelt Distanzierungen, darunter von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die das Festival mitfinanziert. Ist die Kritik berechtigt?
Nein. Sonst wäre ich nicht als Mitorganisatorin und Moderatorin dabei. Wo anfangen? Dass Claudia Bernhard nicht mehr Schirmfrau ist, hat für uns auch finanzielle Konsequenzen. Der Senat hat zugesagte Gelder zurückgezogen. Dabei haben wir eine Woche zuvor noch die Bewilligung per Mail bekommen – mit dem Satz: „Wir finden das Programm toll.“ Auch die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die sich nun distanziert, hat vorher das Programm gelobt.
Und das Programm sah da genauso aus wie jetzt?
Wir haben nichts geändert. Eine Frau hat uns vorgeworfen, wir hätten in Reaktion auf den Shitstorm alles Mögliche rausgenommen, weil unser Programmheft plötzlich nur noch halb so viele Seiten habe. Dabei haben wir nur in der PDF-Ansicht auf Doppelseiten umgestellt.
Wie erklärst du dir die Kritik am Programm?
Wir behandeln Themen, die seit zehn Jahren rund um Transsexualität, Transition und Detransition insbesondere auf Social Media diskutiert werden. Wir wollen eine öffentliche Diskussion dazu führen. Unser Programm ist dieses Jahr sehr radikalfeministisch geprägt, darunter sind auch junge Frauen wie die Raddykes, die einen Workshop zu Lesbenphobie und Frauenfeindlichkeit in der queeren Szene machen. Wir wollen all das diskutieren. Dazu sind alle frauenliebenden Frauen herzlich eingeladen.
Alle sind eingeladen – doch nicht alle fühlen sich willkommen. Auf der Webseite werden explizit unterschiedlichste Lesben angesprochen: Das LFT sei beispielsweise für Ur- und Bewegungslesben, Lesben mit Behinderung und aus Osteuropa, Schwarze und Jüdische Lesben sowie intersexuelle und detransitionierte Lesben. Nicht in der Aufzählung genannt werden trans Lesben. Ist das Absicht?
Alle trans Frauen sind Frauen. Man muss also eigentlich nicht besonders betonen, dass sie auch dabei sind. Solche Aufzählungen sind immer unvollständig. Deshalb sollten wir Frauen und Lesben als vielfältige Kategorien verstehen. Ich komme aus einer Zeit, in der ganz viele trans Frauen mit in unseren Frauenprojekten waren. Dass sie dazugehörten, war keine Frage. Und ist es auch beim LFT nicht.
Wieso dann die explizite Nennung detransitionierter Lesben in der Aufzählung möglicher Teilnehmerinnen?
Weil das relativ neu ist. Wir haben eine junge Frau im Programm, die von ihren persönlichen Erfahrungen berichtet, weil sie sich als Transmann nicht wohl fühlte und ihre Transition rückgängig machen wollte – was nur begrenzt möglich ist. Das betrifft nur relativ wenige, aber mittlerweile machen mehr und mehr das Maul auf und berichten von Problemen oder auch zu schnellen Entscheidungen. Deshalb halte ich die ärztliche Betreuung einer Transition und einen vorsichtigen Umgang mit Pubertätsblockern für unerlässlich.
Neben dir und der Erziehungswissenschaftlerin Simone Danz führt Julia Beck durch das Programm. Die in Berlin lebende US-Amerikanerin hat sich an Kampagnen der Women's Liberation Front beteiligt, die beispielsweise 2016 die Obama-Regierung verklagt hat, weil diese trans Schüler*innen die Nutzung der ihrer Geschlechtsidentität entsprechenden Toilette ermöglichen wollte. Wieso habt ihr euch für sie als Moderatorin entschieden?
Uns fehlte noch eine englischsprachige Moderatorin. Denn weil das LFT dieses Jahr virtuell stattfindet, haben wir mehr Veranstaltungen auf Englisch und Teilnehmerinnen aus aller Welt. Becks Positionen waren uns bekannt. Sie gibt allerdings keinen Workshop, sondern führt durch das Programm.
Beim Blick ins Programmheft fällt auf: Veranstaltungen, die sich explizit mit Transidentität und Transition beschäftigen, problematisieren diese. Da ist der bereits angesprochene Workshop zu Detransition. Die Aktivistin Gunda Schumann wiederum warnt in ihrer Veranstaltungsankündigung zu Transidentität sogar vor einem „trojanischen Pferd für Frauen“. Und auf dem Marktplatz stellt sich an einem virtuellen Stand die kürzlich gegründete LGB Alliance Deutschland vor. Diese will sich für LGB einsetzen – ohne T. Kein Grund zur Kritik?
Gunda Schumann ist schon an mehreren Orten aufgetreten und hat viele Buhrufe dafür bekommen. Sie einzuladen, soll eine Diskussion ermöglichen, die auch dazu gehört. Die in den Workshops vertretenen Thesen sind nicht gleichzusetzen mit der Meinung, die wir als Organisatorinnen vertreten. Ich bin zum Beispiel keine Radikalfeministin. Aber als feministische Kulturvermittlerin kann ich durchaus die Frauen verstehen, die sagen: „Get the L out!“ Die sich also für Lesben statt für LGBT* einsetzen wollen, weil sie sagen, spezifisch lesbische Belange gingen sonst unter.
Diese Position gilt manchen als „TERF“, als Trans-Exclusionary Radical Feminism – ein Feminismus also, der trans Frauen ausschließt.
Es geht nicht darum, trans Frauen generell zu kritisieren oder auszuschließen. Es geht um Situationen wie jene, die wir gerade erleben. So wie unsere Szene gerade mit uns umgeht, verstehe ich die Haltung: Das L muss raus aus dem Buchstabensalat. Am Anfang war ich stark. Dann erschüttert. Projekte und Lesben* distanzieren sich von uns aufgrund des Tweets einer einzigen Person, die schon seit Jahren auf Twitter sehr wütend ist.
Die breitere Diskussion ausgelöst hat ein am 18. April auf Twitter veröffentlichter Thread, in dem lou kordts das LFT 2021 als transfeindlich kritisiert (s. unten).
Daraufhin haben wir von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld eine Mail bekommen, die beinahe im Wortlaut den Tweet wiederholt. Genauso die Stellungnahme vom LesbenRing, der uns übrigens weder telefonisch noch per Mail persönlich gesagt hat, dass er den Workshop zurückzieht. Das haben wir durch ihren Newsletter und über Twitter erfahren. Da frage ich mich doch: Wie weit sind wir gekommen, dass wir gar nicht mehr miteinander reden und diskutieren!