Haben Sie das Gefühl, dass noch immer für LGBTI-Rechte gekämpft werden muss?
Ich bin nicht gut darin, es einen Kampf zu nennen. Ich bin auch nicht gegen irgendetwas, ich bin für die Menschen. Es geht nur darum, die Herzen und Köpfe zu verändern. Und das braucht Zeit. Manche Menschen haben Angst. Denen muss man sagen: „Hey, ich bin ein echtes menschliches Wesen und es gibt nichts, wovor man Angst haben muss. Meine Beziehung zu demjenigen, den du liebst, hat keinen Einfluss auf dich persönlich“.
In seiner Siegesrede sagte Joe Biden, er wolle US-Präsident für alle sein, Demokraten und Republikaner, Junge und Alte, Homo- und Heterosexuelle und Transgender. Glauben Sie, dass sich für LGBTI-Leute wirklich etwas ändern wird?
Nun, es hat sich im Lauf der Jahre schon sehr viel verändert. Es ist ein langsamer Prozess, der zu weiteren Veränderungen führen wird.
In Ungarn wurde kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert und gegen fundamentale Werte der Europäischen Union verstößt. Warum tun sich manche Länder so schwer mit den LGBTI-Rechten?
Es gibt immer noch Angst, und es gibt immer noch religiöse Angst. Manche sind überzeugt, dass jeder nach bestimmten Regeln leben sollte, und wenn man das nicht tut, ist man schlecht. Solange Menschen an diese Ängste glauben, glauben sie auch, dass sie das Recht haben, die Moral zu vertreten. Es ist ein ständiges Auf und Ab, während wir uns dennoch vorwärts bewegen und verstehen, dass wir alle unterschiedlich sind und niemals gleich sein können. Das ist nicht die Natur der Menschheit.
Sie sind kürzlich 60 Jahre alt geworden. Für manche ist diese Zahl ein Wendepunkt im Leben.
Für mich liegt in der Zahl 60 ein gewisses Maß an Freiheit. Meine Kinder sind jetzt alt genug, um auf eigenen Füßen zu stehen. Und ich habe einfach mehr Freiheit. Man muss sich nicht mehr an einige der alten Regeln halten. Früher habe ich mir selbst vorgeschrieben, wie ich auszusehen habe. Ich mache mir heute wirklich keine Gedanken mehr über diesen ganzen Kram. Ich lebe im Moment. Das ist ganz köstlich. 60 ist ein super cooles Alter!
Die meisten Erwachsenen fühlen sich jünger als ihr tatsächliches Alter.
Auch ich fühle mich jünger. Ich denke nicht an ein bestimmtes Alter. Ich betrachte mich als eine Erfahrung. Und ich weiß, dass das, was ich liebe, mich belebt und frisch hält.
Suchen Sie immer noch nach Abenteuern?
Ich muss gar nicht nach ihnen suchen, sie kommen einfach zu mir. Das ist ganz sicher. Im Corona-Lockdown haben meine Frau und ich zum Beispiel ein Streaming-Studio in unserer Garage eingerichtet. Das hat mir dabei geholfen, als Künstlerin zu wachsen. Und jetzt darf ich auch wieder Konzerte vor Publikum spielen. I’m here, let’s go!
Sie haben die Etheridge-Stiftung zur Erforschung der Ursachen und Auswirkungen der Opioidabhängigkeit gegründet. Hat die Corona-Pandemie die Opioidkrise noch verstärkt?
Yeah. Ich habe letztes Jahr meinen Sohn Beckett verloren (K-Word #352). Die Isolierung der Menschen schaffte definitiv mehr Not auf dem Gebiet der Drogenabhängigkeit. Das tat vielen wirklich weh. Jetzt ist es an der Zeit, die Hand auszustrecken und einige Antworten zu finden.
Ihr Sohn Beckett starb im Alter von 21 Jahren an den Folgen einer Opioidabhängigkeit. Warum konnten Sie ihm nicht helfen, drogenfrei zu werden?
Ich kann nur so viel für einen Menschen tun, aber er muss seine eigene Entscheidung treffen. Er muss die Kraft und den Willen dazu aufbringen. Einige können das nicht. Mein Sohn hat es versucht und versucht. Ich erinnere mich an den Tag, an dem er einfach losließ und vier Tage später starb. Ich konnte ihn nicht mehr erreichen.
Was hat Ihnen in dieser schweren Zeit geholfen?
Im letzten Jahr habe ich mich viel mit Beckett herumgeschlagen. Ich habe versucht, ihm zu helfen und ihn auf den Weg zu bringen. Ich bin dabei selbst an einen Punkt kommen, an dem ich wusste, dass er vielleicht nicht überleben würde.
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