Lust, Ekel und Komik liegen dicht beieinander
Überhaupt hat LaBruce ein Talent dafür, gesellschaftlich relevante Thematiken nonchalant zwischen provokante Sex-Szenen und Camp-Ästhetik zu schieben: In einem weiteren Handlungsstrang etwa sehen wir Dominics Doppelgänger, einen kettenrauchenden jungen Mönch, der zu Katalogen für Männerunterwäsche masturbiert und sich dabei selbst geißelt – während parallel dazu ein Missbrauchsskandal im Kloster aufgedeckt wird.
Wie gewohnt liegen Lust, Ekel und Komik bei LaBruce dicht beieinander; und da er seine Wurzeln nun mal im DIY-Porno hat, werden im Lauf des Films dann auch so ziemlich alle denkbaren sexuellen Konstellationen durchgespielt, egal wie unwahrscheinlich sie anmuten mögen. Wobei Inzest in diesem Fall natürlich total okay ist, solange er einvernehmlich stattfindet. Auf diese Weise erhalten sowohl der Kraftausdruck „Go fuck yourself“ als auch das Konzept der Regenbogenfamilie noch einmal ganz andere, ungeahnte Bedeutungsebenen.
Wunderbar eingefangene Ästehtik der frühen 70er-Jahre
Im Mittelteil weist der Film ein paar Längen auf, und die Beziehung zwischen Beatrice und Irene hätte mehr Exploration verdient. Aber LaBruce setzt nun mal eher auf Camp, Splatter und Sex denn auf Tiefenpsychologie. Die Atmosphäre und Ästhetik der frühen 70er Jahre fängt Saint-Narcisse jedenfalls wunderbar ein, von den neonbeschienenen Straßen Quebecs bis hin zu den Kristall-Mobiles und gedeckten Erdtönen in der Waldhütte von Beatrice und Irene.
Wie zu erwarten werden nackte, gut gebaute Männerkörper in Saint-Narcisse weitaus mehr zelebriert als Frauenkörper oder lesbischer Sex – doch da Lesben ja laut populärem Wissen durchaus auch auf Schwulenpornos stehen, muss das nicht unbedingt ein Manko sein.
Saint-Narcisse (Kanada 2020), Regie: Bruce LaBruce, mit Félix-Antoine Duval, Tania Kontoyanni, Alexandra Petrachuk, Andreas Apergis u.a., 101 Min., Kinostart: 25. November