Von Karin Schupp
17.1.2022 - Das Parlament in Polen hat eine Schul-Reform beschlossen, die voraussichtlich unter anderem dazu dienen wird, Aufklärung über LGBTQ-Themen im Unterricht zu erschweren oder zu verbieten.
Die staatliche Schulaufsicht soll nämlich mit dem neuen Gesetz mehr Befugnisse erhalten und etwa darüber entscheiden dürfen, ob schulexterne Gruppen wie queere Aufklärungsprojekte, eingeladen dürfen. Halten sich Schulleiter:innen nicht an die Vorgaben des Bildungsministeriums, können sie entlassen werden.
Das Gesetz von Bildungsminister Przemyslaw Czarnek, der der nationalkonservativen Regierungspartei PiS angehört und für seine homo- und transfeindliche Einstellung bekannt ist, wurde im Vorfeld nicht nur von LGBTQ-Verbänden heftig kritisiert. Letzte Woche appellierten auf Twitter auch zahlreiche Abgeordnete des Europäischen Parlaments mit dem Hashtag #WolnaSzkola (= Freie Schulen) an ihre polnischen Kolleg:innen, mit „Nein“ zu stimmen.
„Das Aus für queere Empowerment- und Jugendarbeit an Schulen“
So twitterte der deutsche EU-Abgeordneter Moritz Körner (FDP): „Kinder brauchen Erziehung, keine Indoktrinierung. Die Schulreform in Polen droht, die illiberalen Ansichten der polnischen Regierung der jungen Generation aufzuzwingen.“ Die französische EU-Abgeordnete Laurence Farreng warf der PiS vor, dass ihr Schulmodell „ihrer ultrakonservativen Agenda dient und die Lehrer unter ihre politische Kontrolle stellt.“ Und der schwulen Grünen-Abgeordnete Kai Gehring befürchtete „in Polen das Aus für queere Empowerment- und Jugendarbeit an Schulen.“
Nach Verabschiedung des Gesetzes erklärte Rémy Bonny, Geschäftsführer des paneuropäischen LGBTQ-Verbands Forbidden Colours: „Nach Jahren rhetorischer Kampagnen gegen die LGBTIQ+-Community hat sich die polnische Regierung offiziell Russland und Ungarn angeschlossen, um die LGBTIQ+-Community rechtlich zum Sündenbock zu machen, um Demokratie und Menschenrechte abzubauen. Kinder sind das nächste Opfer in Polens Krieg gegen Inklusion und Demokratie.“
In Kraft trifft das „Lex Czarnek“, dass mit 227 zu 214 Stimmen nur knapp angenommen wurde, zunächst noch nicht, da es noch dem Senat vorgelegt werden muss, wo die Opposition die Mehrheit hat. Dort wird es zwar voraussichtlich durchfallen, dann jedoch darf Präsident Andrzej Duda (PiS) entscheiden, und dessen Meinung zu dem Thema ist bekannt: Er sprach im Wahlkampf 2020 von einer „destruktiven LGBT-Ideologie“, die „Kinder indoktriniert“ und „schlimmer als der Kommunismus“ sei (wir berichteten).
Unter dem Schutz von Regierung und Kirche nimmt die Homophobie in Polen in den letzten Jahren weiter zu. Vor zwei Jahren etwa berichteten wir, dass sich 90 Kommunen zu „LGBT-freien Zonen“ erklärten.