Von Saskia Balser
10.3.2024 - Es ist ein Jahr her, seitdem die Meldestelle Antifeminismus der Amadeu Antonio-Stiftung begonnen hat, antifeministische Vorfälle zu registrieren. Jetzt hat sie erstmals ein Lagebild zur Auswertung veröffentlicht. Die 372 Vorfälle enthalten unter anderem Bedrohungen, Beleidigungen und Gewalt.
Am 1. Februar 2023 hat die Meldestelle ihre Arbeit aufgenommen. Das Angebot wurde seitdem kontinuierlich genutzt und im Laufe des Jahres wurden 814 Meldungen registriert. 372 dieser Meldungen wurden als antifeministischer Vorfall eingeordnet. Aber was genau bedeutet Antifeminismus eigentlich?
Mit dem Begriff wird eine Weltanschauung bezeichnet, die gegen Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit gerichtet ist. Antifeminismus lässt sich damit auch von Sexismus und Misogynie abgrenzen. Er äußert sich zum Beispiel in Angriffen auf feministische Akteur:innen und verfolgt das Ziel, feministische und queere Positionen aus der Öffentlichkeit zu verdrängen. So machten allein 28 Meldungen Bedrohungen gegen Politikerinnen aus.
Frauen und queere Menschen besonders betroffen
Die Analyse der Meldungen zeigt, dass vor allem Frauen und queere Menschen antifeministische Übergriffe erleben. Frauenfeindliche, misogyne oder sexistische Botschaften (167) und Angriffe auf geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (149) sind mit Abstand die häufigsten Sendungsinhalte der als antifeministisch eingeordneten Vorfälle, heißt es im Bericht der Stiftung. Die meisten von ihnen passieren online, zum Beispiel auf Social Media.
Die Folge solcher Angriffe ist, dass sich Betroffene aus digitalen Räumen zurückziehen. Judith Rahner von der Amadeu Antonio Stiftung, erkennt darin eine große Gefahr: „Wenn sich Frauen und queere Menschen aus Politik, Journalismus und Aktivismus wegen der Angriffe aus der Öffentlichkeit zurückziehen, müssen wir von einer handfesten Bedrohung für Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe sprechen. Politik und Sicherheitsbehörden sind jetzt gefragt, den Schutz von Lokalpolitiker*innen, Engagierten und auch Gleichstellungsbeauftragten zu gewährleisten“, schreibt sie in der Pressemitteilung zum Bericht.
Körperliche Gewalt und Sachbeschädigungen gegen LGBTQIA+
Der Großteil der antifeministischen Vorfälle findet online statt – aber nicht alle. 12 Meldungen enthalten antifeministisch motivierte physische Gewalt. Besonders erschütternd ist der Angriff auf eine Frau, die ohne Vorwarnung zu Boden gestoßen und als „Lesbenfotze“ beschimpft wird.
Zudem wurden 16 Sachbeschädigungen erfasst. Die LGBTQIA+-Community war davon gleich mehrfach betroffen: Regenbogenflaggen, die etwa von Gemeinden oder Institutionen aufgehängt wurden, haben Angreifer:innen zerstört, verbrannt und sogar durch Hakenkreuzflaggen ausgetauscht. Auch ein Brandanschlag auf eine lesbische Fraueninitiative wurde registriert.
Die Meldestelle will mit ihrer Arbeit ein umfassendes Monitoring antifeministischer und sexistischer An- und Übergriffe bieten und deutlich machen, wie Antifeminismus die Demokratie bedroht. „Es braucht mehr Fortbildungen und Coaching, um die zivilgesellschaftliche Resilienz gegen Antifeminismus zu fördern“, schlussfolgert Judith Rahner in dem Bericht.
Der Bericht „Zivilgesellschaftliches Lagebild Antifeminismus 2023“ steht hier als PDF
Weitere Infos auf der Webseite der Amadeu-Antonio-Stiftung