Vorwurf: „Preisverfahren hinter den Kulissen ausgehebelt“
Das Pikante daran: Vier Mitglieder des Preisgerichts und der Vorauswahljury fühlen sich übergangen und fordern Kultursenator Carsten Brosda in einem offenen Brief dazu auf, die Entscheidung zurückzunehmen. Das Preisgerichtsverfahren sei „hinter den Kulissen ausgehebelt“ worden, heißt es in dem Brief, den mittlerweile mehr als 400 Personen und Institutionen der deutschen Kunstwelt unterzeichnet haben.
Auch Franziska Opel und Hannah Rath sind an die Öffentlichkeit gegangen. „Wir sind unzufrieden, dass ein demokratischer Prozess einfach so unterwandert werden kann“, so Hannah Rath in der Tageszeitung taz. Laut taz hatten die beiden Künstlerinnen inzwischen ein Gespräch mit Hamburgs Kulturstaatsrätin Jana Schiedek, die ihnen eine „zweite Realisierung im Stadtraum angeboten“ habe, wenn auch in einer kleineren Version.
In der Diskussion auf dem Instagram-Kanal der Kulturbehörde vermuten einige, dass Hamburg aus Prestigegründen den berühmteren Namen durchdrücken wollte. Zwei Künstlerinnen hätten sich „in Eigenregie gegen die Kunstfabrik Elíasson“ durchgesetzt“, nur um dann „durch den Mainstream ersetzt zu werden“, kommentiert Lena Valenzuela de la Hoz.
In der von der Denk-mal-Initiative veröffentlichten Statements wird aber klar, dass zumindest für die beteiligten Queers andere Gründe ausschlaggebend waren – zum Beispiel den Regenbogen als klassisches Symbol der Bewegung. Der „Pavillon der Stimmen“ ist ein großer Ring aus bunten Glasfliesen, der auf dünnen Stangen in gut drei Meter Höhe schwebt. Bei Sonnenlicht sollen die Fliesen auch den Boden in Regenbogenfarben leuchten lassen.
Auch die lesbischen Verbände für den „Pavillon der Stimmen“
Die überwiegend von cis Männern vorgetragenen Stellungnahmen kritisieren vor allem drei Dinge an „Capri und Roxi“: Die Anspielung auf Tanzverbot und Luftschlange bestätige das Klischee vom „Partyvolk in Feierlaune“, verweise nur in die Vergangenheit und bilde nicht ab, wie bunt die LGBTIQ*-Gemeinde sei.
Auch die beteiligten lesbischen Verbände tragen das mit. „Mit der Integration aller Farbtöne beim ,Pavillon der Stimmen‘ wird die Vielfalt gefeiert und eine Identifikation ALLER Teile der Community mit dem Objekt ermöglicht“, lobt Karin Klipp von der Netzwerkstelle Lesben* in Hamburg. Und die Vorstandsfrauen vom Wohnprojekt „Sisters Living“ würdigen die Zusammenarbeit von Initiative und Senat: „Wir fühlen uns mit der Einstimmigkeit innerhalb der Community gesehen und wahrgenommen. Das war während der Diskussion und des Entscheidungsprozesses eine wunderbare Erfahrung.“
Ein Wermutstropfen aus feministischer Sicht: Mit ihrer Durchsetzungskraft gegenüber der Kulturbehörde hat die organisierte Queer-Community Hamburgs dafür gesorgt, dass wieder einmal zwei Männer zum Zuge kommen und das Honorar mitnehmen. Ist ihr Kunstwerk wirklich das passendere? Davon kann sich jede:r selbst überzeugen: Alle 14 Entwürfe sind bis 29. September in der Galerie des Museums für Kunst & Gewerbe zu sehen. Am 24. September stellt sich die Kulturbehörde dort einer Diskussion zu ihrer Entscheidung.
Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge, bis 29. September, Di – So, 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Galerie des Museums für Kunst & Gewerbe, Steintorplatz, 20099 Hamburg, mkg-hamburg.de