Von Saskia Balser
2.10.2024 - Ein Polykül aus vier Personen, eingeschlossen auf einem Dach, und drei sind die Liebhaber:innen der einen: Da ist der Ärger vorprogrammiert! Doch kann auch Nähe unter den Protagonist:innen Ava, Robin, Silvia und Delia entstehen? Nach dem Debütroman „Ministerium der Träume“ sowie dem Kolumnenband „Habibitus“ liefert Hengameh Yaghoobifarah mit „Schwindel“ ein spannungsgeladenes Juwel queerer Literatur.
In der vielschichtigen Erzählung über queeres Begehren, Zugehörigkeit und Differenzen spürt Yaghoobifarah mit viel Feingefühl in die Komplexität von Beziehungen und die Frage nach lesbischer Identität hinein.
L-Mag: Mit Delia gibt es in deinem neuen Roman auch eine nichtbinäre Figur. Hattest du dir das von Anfang an vorgenommen?
Hengameh Yaghoobifarah: Nein, das ist eher beim Schreiben entstanden. Es hat sich aber relativ früh abgezeichnet. Was ich von Anfang an wollte, war dass eine Person dabei ist, die zwar lesbisch datet, aber mit einem Typen zusammen ist. Insgesamt ist dann eine sehr spannende Konstellation zustande gekommen.
Dank dieser interessanten Konstellation werden viele Fragen aufgeworfen, auf die man tatsächlich in der queeren Bubble trifft. War es deine Absicht, sie aus verschiedenen Blickpunkten zu betrachten?
Ja, darauf hatte ich extrem Lust. Ich habe während der Recherche auch viele ältere lesbische und queere Texte gelesen. Dabei habe ich mir öfter die Frage gestellt: Was bedeutet eigentlich Lesbischsein? Gerade aus einer trans maskulinen Perspektive oder aus einer nichtbinären Perspektive bin ich der Frage nachgegangen. Der Konflikt queer vs. lesbisch herrscht schon seit Jahrzehnten in unserer Community vor. Einerseits gibt es Zerwürfnisse, andererseits auch Versuche, sich anzunähern. Und ich hatte Lust, das auf eine literarische Art und Weise zu verhandeln. Auch als ein möglicher Versuch des Brückenbaus.
Hast du die Frage, was Lesbischsein bedeutet, für dich final beantworten können?
Ich kann sie gar nicht final beantworten. Aber für mich ist zum Beispiel, gerade wenn ich mich auf Monique Wittig beziehe, ganz klar, dass die Definition „Frauen liebende Frauen“ nicht die treffendste Art ist, lesbianism zu definieren. Ich kenne zum Beispiel auch trans Männer und bisexuelle Frauen, die sich als Lesben bezeichnen. Mich hat es sehr genervt in den letzten Jahren, dass dieser Begriff immer mehr eingeengt wurde – sowohl von TERF-Seite (trans exclusionary radical feminists, Anm. d. Red.) als auch von Queers, die festschreiben, was Lesbischsein ausmacht.