Von Nina Süßmilch
18.11.2024 - Zwei nackte Frauen laufen aufeinander zu, sehen sich in die Augen und scheinen sich leicht zuzunicken. Los geht's. Sie beginnen sich zu küssen, wild und hemmungslos, umschlingen einander, berühren sich, stöhnen. Es wird nicht lange dauern und sie werden – weiter hinten auf der Bühne – minutenlang Sex miteinander haben, sich festklammernd an einer riesigen Kletterwand, bevor sie an einem überdimensionalen Kreuz einander oral befriedigen.
Weiter vorne, am offenen Orchestergraben knieend singt sich die Nonne Susanna um Kopf und Kragen. Sie wird für ihre sexuelle Selbstbestimmung von dem gesamten Nonnenchor bestraft werden. Und davon gibt es viele. Der Chor tritt rechts und links im Zuschauerraum singend zum ersten Mal auf und schiebt sich wie eine bedrohliche Größe auf die Bühne. Dort, wo immer mehr nackte Frauen aus dem Graben klettern und an die Kletterwand kriechen, um an selbiger dann wie umgedrehte Kreuze nackt zu hängen.
Buntes, organisches Chaos
Florentina Holzinger, die österreichische Choreografin, Performerin und Regisseurin ist bekannt für ihre körperliche Arbeit. Und sie weiß ganz offensichtlich, wie sie Atmosphäre auf die Bühne und in den Saal bringt. Und mit ihr ein sehr großer Stab des Mecklenburgischen Staatstheaters und verschiedenster Musiker:innen.
In der Oper sind unter anderem als performender Cast und Musikerinnen zu sehen: Born in Flamez und Otay:onii. Die musikalische Leitung hatte Marit Strindlund und sie musste einiges zusammen bringen aus diesem Potpourri an Musik: vom Musical über Heavy Metal, Rock bis Techno.
Und es funktioniert hervorragend! Überhaupt ist die Zusammensetzung des Chores, des Ensembles und der Musiker:innen ein kleiner Geniestreich. Denn es wird gerade nicht zu viel. Es ist überbordend und laut, ja, aber immer bettet Holzinger mit dem Ensemble die Botschaft in ein buntes, organisches Chaos ein: Don't dream it, be it! So werden am Ende auch alle Zuschauenden aufgefordert, mit in den Song einzustimmen, was - überraschend genug - im unter-coolten Publikum der Hauptstadt tatsächlich gelingt.