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Go Straight or Go Crazy: Lesbenklischees in Filmen sterben nicht aus

19.12.2024 - Die Psycho-Lesbe, die tote Lesbe, die Lesbe, die nur den richtigen Mann finden muss: diese alten Klischees der Film- und Fernsehgeschichte leben bis heute, beklagt unsere Autorin – und das nicht erst, seit sie „My Old Ass“ gesehen hat.

Von Luka Lara Steffen

19.12.2024 - Die Geschichte lesbischer Frauen in fiktionalen Stoffen ist, vorsichtig gesagt, äußerst vorbelastet. Galt Homosexualität in illiberalen Gesellschaften als Krankheit, Sünde und Verbrechen gleichermaßen, so mussten eben auch die fiktiven homosexuellen Figuren für ihre vermeintliche Immoralität bestraft werden.

Das Erzählmuster „Bury Your Gays“ hält sich hartnäckig

Dies manifestierte sich unter anderem in dem Erzählmuster „Bury Your Gays“ („Begrabe deine Homosexuellen“). In diesen Geschichten wurden die Autor:innen durch den Tod der fiktiven homosexuellen Figur vor dem gesellschaftlichen Ausschluss bewahrt, indem sie sich durch die metaphorische Bestrafung des Homosexuellen moralisch vom Inhalt distanzierten. Doch auch wenn sich gesellschaftlichen Gegebenheiten in vielen Teilen der Welt zum Positiven für die LGBTQ-Community geändert haben, hält sich dieses Erzählmuster hartnäckig.

Lesbische und bisexuelle Figuren in Filmen und Serien sterben nach wie vor überproportional häufig durch vage und unkonkrete Umstände, so fand beispielsweise die Auftragskillerin Villanelle aus der Serie Killing Eve (2018 – 2022) durch die Kugel eines unbekannten Schützen ein sehr unwürdiges Ende.

Gesellschaftliche Umstände als Hindernis der Liebe

Zudem spielen lesbische Liebesgeschichten häufig nicht in der heutigen Zeit, sodass in den Filmen die illiberalen gesellschaftlichen Umstände zum Hindernis der Liebe gemacht werden und so eine Beziehung zwischen zwei Frauen zur Unmöglichkeit verklärt wird, so beispielsweise in Ammonite (2020) oder Portrait of a Lady on Fire (2019).

Oder lesbische Frauen werden als böse oder psychotisch charakterisiert, manifestiert etwa in der Figur der Psycho-Lesbe, die durch ihr nicht erwidertes Begehren regelrecht in den Wahnsinn getrieben wird.

Schaffen es lesbische Figuren im Kino und Fernsehen dem Tod und der Pathologisierung zu entkommen, dann werden sie in ihrer Sexualität häufig nicht ernst genommen.

So geschehen etwa in der Tragikomödie Chasing Amy (1997), in der der Comiczeichner Holden (Ben Affleck) sich in die Comiczeichnerin Alyssa (Joey Lauren Adams) verliebt. Das einzige Problem: Alyssa ist lesbisch. Aber eben nur so lange, bis sie Holden kennenlernt.

Frauenbeziehung niemals gleichwertig mit einer Hetero-Beziehung

Chasing Amy kreist um den Mittzwanziger Holden und seine Minderwertigkeitsgefühle. Statt diese jedoch zu entlarven, verliert sich der Film in einem der gefährlichsten Ressentiments gegenüber lesbischen Frauen überhaupt: Lesben sind nur so lange lesbisch, bis sie den richtigen Mann gefunden haben. In dieser patriarchalen Logik ist eine homosexuelle Beziehung zwischen zwei Frauen niemals gleichwertig mit einer Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann.

Nun liegt die Veröffentlichung von Chasing Amy 27 Jahre zurück und diese regressive Darstellung von Lesbischsein könnte der Vergangenheit angehören. Doch erschien im November 2024 das Coming of Age-Drama My Old Ass (Amazon Prime Video), das eine verblüffende Ähnlichkeit zu dem Film aufweist.

„My Old Ass“: Die Hauptfigur entdeckt, dass sie gar nicht lesbisch ist

My Old Ass erzählt die Geschichte der 18-jährigen Elliott (Maisy Stella) für die der letzte Sommer im ländlichen Idyll anbricht, bevor sie zum Studieren nach Toronto ziehen wird. Während eines psychedelischen Drogen-Tripps trifft Elliott auf ihr älteres Ich (Aubrey Plaza) das ihr einbläut, die letzten Wochen mit ihrer Familie zu genießen und einen gewissen Chad (Percy Hynes White) zu vermeiden. Elliott nimmt die Warnungen nur halb ernst, sie verbringt zwar mehr Zeit mit ihrer Familie, verliebt sich aber Hals über Kopf in Chad. Der jungen Liebe steht nur ein Hindernis im Weg: Elliott ist lesbisch.

My Old Ass hätte ein interessanter und erfrischender Genrefilm über das Entdecken der eigenen Bisexualität werden können. Im Coming of Age-Genre geht es schließlich um das gelungene Erwachsenwerden, die Subjektwerdung, die häufig mit schmerzhaften Ablösungsprozessen von eigenen Vorstellungen verbunden ist. Doch dies anhand einer Teenagerin zu exerzieren, die mit nur 18 Jahren in ihrer lesbischen Identität anfangs so gefestigt scheint, dann aber plötzlich feststellt, dass sie doch gar nicht lesbisch ist, schießt ziemlich weit über das Ziel hinaus.

Lesbische Liebe weniger wertig als jugendliche Hetero-Beziehung

So entsteht ein äußerst verzerrtes Bild einer Realität, in der die eigenen homosexuellen Anteile als Norm und die eigenen heterosexuellen Anteile als Abweichung funktionieren, was wohl mit der Lebensrealität der wenigstens jungen Erwachsenen übereinstimmt.

Durch die sprunghafte Erzählweise schafft der Film es weder, Elliott in ihren homosexuellen Anteilen ernst zu nehmen noch sich dem Spektrum bisexuellen Begehrens authentisch zu nähern. Stattdessen wird dasselbe regressive Narrativ wie in Chasing Amy bedient: Elliott ist so lange lesbisch, bis sie den richtigen Mann gefunden hat.

Dies wird durch ein Gespräch zwischen Elliott und ihrem älteren Ich verhärtet, indem die 39-jährige Elliott der 18-jährigen erzählt, dass sie niemanden so lieben wird wie Chad. Die erwachsene Elliott ist zwar in einer Beziehung mit einer Frau, doch scheint diese homosexuelle Beziehung nicht dieselbe Wertigkeit zu haben, wie die wohlgemerkt jugendliche Beziehung zum allerersten Freund.

Vor dem Hintergrund der lesbischen Filmgeschichte wirkt diese Darstellung mindestens unüberlegt, wohl eher aber ignorant. Somit bildet der Film aber ein leider wohl nach wie vor gesellschaftlich verankertes Bild lesbischer Beziehungen ab: Sie sind niemals gleichwertig mit heterosexuellen Beziehungen, weiter noch, sie haben keinen Raum. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht 27 Jahre dauert, bis sich daran grundlegend etwas ändert.

 

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