Strukturen vor Ort schützen, die sich rechte Angriffe stellen
Der Rechtsruck in Deutschland zeigt sich in vielen Bereichen, unter anderem nehmen Neonazigruppen immer mehr die Straßen ein und skandieren ihre rechtspopulistischen Parolen. Ein beliebter Treffpunkt dafür sind die Montagsdemonstrationen geworden, die aus den Corona-Protesten und Verschwörungsmythen heraus entstanden sind. Besonders in ostdeutschen Gebieten demonstrieren Tausende Rechtsextreme, AfD-Anhänger*innen, Reichsbürger*innen, aber auch bürgerliches Publikum. Der gemeinsame Nenner: die Ablehnung der Regierungspolitik.
„Es ist wichtig, bei Diskussionen über Nazis in Ostdeutschland nicht den Eindruck zu erwecken, dass es diese Probleme im Westen nicht gibt“, betont die Künstlerin und Aktivistin Irène Mélix. „Im Osten treten gesellschaftliche Probleme wie Rassismus und Queerfeindlichkeit besonders heftig und in einer verrohten Art hervor. Es betrifft aber alle und der Aufruf sollte sein, bestehende Strukturen vor Ort zu unterstützen, die sich gegen diese Angriffe stellen.“
Geld hilft gegen den Rechtsruck
Das hat auch das Netzwerk Polylux erkannt und unterstützt seit 2019 Vereine, Initiativen und Projekte der Zivilgesellschaft im Osten. Auf Instagram schreiben sie: „Gegen den Rechtsruck hilft so manches, unter anderem Geld.“ Das feministische*forum ist seit Beginn Teil des Netzwerkes und schätzt dabei vor allem die unkomplizierte finanzielle Unterstützung und den Austausch. „Auf kommunaler Ebene brauchen wir kaum Hilfe zu erwarten. Unsere Hauptfördermittel kommen aktuell vom Land Sachsen“, sagt Böhm. „Da hatten wir für das kommende Jahr zwar einmal mehr Glück, aber die Zukunft ist ungewiss.“ Das ewige Ringen um Ressourcen und die Unsicherheit seien eine ständige Belastung.
Auch Mélix kennt diese Abhängigkeit und warnt davor, dass wir uns – mit Blick auf Berlins Haushaltskürzungen – nicht immer auf staatliche Gelder verlassen können. „Kürzungen im sozialen und kulturellen Bereich sind katastrophal, weil sie wichtige Räume für alternative Lebensweisen abseits rechter Jugendkulturen bedrohen.“ In Ländern wie Polen habe sie gesehen, wie sich politische Veränderungen auf Kulturinstitutionen auswirken. Es sei wichtig, für die Zukunft alle finanziellen Optionen in Betracht zu ziehen.
Queere Geschichte nicht in Vergessenheit geraten lassen
„Queeres Leben gab es schon immer und wird es immer geben“, so Mélix, „eine Tatsache, die Rechte oft nicht anerkennen wollen oder aktiv versuchen aus der Geschichte zu löschen.“ Um dem entgegenzuwirken, hat die Künstlerin ihr Projekt „Grüße aus Dresden“ realisiert. Überdimensional große Postkarten zeigen dabei queerhistorische Orte wie Bars oder Cruising Areas in Dresden, die selbst im Stadtarchiv nur lückenhaft dokumentiert sind. „In Bezug auf Queerness in Ostdeutschland ist es wichtig, über Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft zu sprechen.“ Geschichtsschreibung und -archivierung sind wichtige Punkte, damit diverse Lebensrealitäten nicht in Vergessenheit geraten.
Als Aktivistin war Mélix auch an der Gründung der Queer Pride Dresden vor vier Jahren beteiligt, die aus Unzufriedenheit mit dem kommerziellen CSD entstanden ist. Queer Pride verfolgt hingegen einen antirassistischen, inklusiven, linken und antifaschistischen Ansatz, bei dem sie das ganze Jahr über Präsenz zeigen und Demonstrationen organisieren. „Die Anzahl der Prides in Ostdeutschland ist über die Jahre immer weiter angestiegen und zeigt, wie wichtig es ist, über bloße Parolen und Sponsoren hinauszugehen. Stattdessen setzen wir auf Community-Building und klaren Widerstand gegen rechte Strukturen.“