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Filmtipp „Sally“: Astronautin, Pionierin, Lesbe

14.6.2025 - „Sally“ ist eine inspirierende Doku über Sally Ride: Die erste US-Astronautin und Pionierin im Weltall hatte vor nichts Angst - außer vor ihrem lesbischen Coming-out. Deutschland-Premiere am 15. Juni bei der Dokumentale in Berlin, danach im Streaming.

Von Karin Schupp

14.6.2025 - Bevor Sally Ride 1983 zum ersten Mal ins All flog, packten die NASA-Ingenieure ihr ein eigens zusammengestelltes Makeup-Set ein und erkundigten sich bei einer Kollegin, ob denn wohl 100 Tampons für eine Woche genügen würden.

Die Doku über die erste US-Amerikanerin im Weltraum (und dritte Frau nach den Russinnen Walentina Tereschkowa und Swetlana Sawizkaja) erzählt auch diese Anekdote und zeigt damit schon in den ersten Minuten, dass sie mehr als nur ein nacherzählter Lexikoneintrag über eine historisch bedeutsame Frau sein will: Sie thematisiert auch Sexismus in der Arbeits- und Medienwelt, eine große lesbische Lovestory und die Belastung, die es bedeutet, seine homosexuelle Beziehung geheim zu halten.

„Weinen Sie, wenn bei der Arbeit etwas schief geht?“

Die Astronautinnen-Karriere der Physikerin begann 1978 in der legendären „Group 8“, der ersten Ausbildungsgruppe der NASA, in die auch Frauen und People of Color aufgenommen wurden. Ihr beinhartes Trainingsprogramm ist in Bildern gut dokumentiert und wird in Sally durch Kommentare damaliger Kolleg:innen ergänzt: Die Anforderungen waren hoch, aber noch herausfordernder war die Frauenfeindlichkeit, der sie innerhalb der Raumfahrtbehörde und der und höchst interessierten Medien ausgesetzt waren.

Fragen wie „Wirkt sich der Flug auf Ihre Fortpflanzungsorgane aus?“ oder „Weinen Sie, wenn bei der Arbeit etwas schief geht?“ standen für sie;auf der Tagesordnung. Sally Ride hielt freundlich lächelnd dagegen („Nennen Sie mich Sally oder Dr. Ride, aber nicht Miss!“), machte aber kein Fass auf, wie zahlreiche Interviewausschnitte zeigen – das war nicht ihre Art.

Alle kannten sie - aber niemand wusste, dass sie lesbisch ist

Die Kalifornierin war in den USA spätestens nach ihrem Flug ins All ein Superstar und wurde in etliche TV-Sendungen und Shows eingeladen, alle kannten damals ihren Namen. Aber ein gar nicht so kleines Detail über sie wurde erst nach ihrem frühen Tod 2012 (im Alter von nur 61 Jahren)

öffentlich: Sie war lesbisch und hinterließ ihre Lebensgefährtin Tam O’Shaughnessy.

Die Frau, mit der sie 27 Jahre lang zusammen war, hatte die Öffentlichkeit bisher nur für Rides Geschäftsparterin bei „Sally Ride Science“ gehalten, ihrer Organisation, die (bis heute) Mädchen für naturwissenschaftliche Berufe begeistern will.

Es ist ein echter Gewinn für die Doku, dass die heute 73-Jährige stark darin involviert ist. O’Shaughnessy, Psychologie-Professorin und Ex-Tennisprofi, kannte Ride schon seit ihrer frühen Jugend aus einem Tenniscamp. Nach ihrem Coming-out lebte sie selbstbewusst lesbisch, bis ihre Beziehung sie zurück „in den Schrank“ zwang - worunter sie sehr litt, wie in der Doku deutlich wird.

Nicht mal bei ihrer lesbischen Schwester outete sie sich

Dass die berühmte Astronautin Angst hatte, ihren Job bei der NASA und ihr Standing in der Öffentlichkeit zu verlieren, war für ihr Schweigen wohl ebenso ein Grund, wie die Tatsache, dass sie „sehr privat“ war und nicht gerne über Persönliches sprach.

Nicht mal ihrer ebenfalls lesbischen Schwester Bear verriet sie ihre sexuelle Identität, wie die Pfarrerin kopfschüttelnd erzählt. Dabei erlebte Ride ihr Coming-out nicht erst nach ihrer Ehe mit einem NASA-Kollegen (den sie, wie angedeutet wird, vor allem aus Pragmatismus heiratete).

Ihre zwei großen Lieben: Tam und die Raumfahrt

Man merkt, wie wichtig es O’Shaughnessy ist, das Bild der berühmten Astronautin zu vervollständigen. Das gelingt wunderbar, auch dank Interviews mit Rides College-Girlfriend Molly, ihrer emotional distanzierten Mutter und der lesbischen Tennis-Ikone Billie Jean King, mit der sie befreundet war.

Die Beziehung zwischen O'Shaughnessy und Ride spielt eine fast ebenso große Rolle in der Doku wie Rides zweite große Liebe, die Raumfahrt. Die kurzen nachgestellten Szenen aus ihrem Leben wären dabei nicht unbedingt nötig gewesen (das kann gerne die geplante Serie über die „Group 8“ mit Kristen Stewart in der Hauptrolle übernehmen), sie fügen sich aber eher beiläufig ein. 

Raumfahrt-Nerds, Menschen, die an feministischer Geschichte interessiert sind, und Fans von lesbischen Biografien oder Lovestorys - das Publikum wird mit unterschiedlichen Erwartungen an den Film herangehen. Die gute Nachricht: In Sally werden alle auf ihre Kosten kommen.

Sally (USA 2025), Regie: Cristina Constantini, 103 min., OmU; Deutschland-Premiere auf der Dokumentale in Berlin (Screenings am 15. und 17. Juni); am 17. Juni startet der Film auf Disney+, am 18. Juni auf National Geographic.

 

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